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Bettler 03 - Bettlers Ritt

Titel: Bettler 03 - Bettlers Ritt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Empfangsgerät in seiner Tasche sie dechiffriert hatte, waren die Daten nicht mehr vor dem Abgehörtwerden gefeit. Außer sie erreichten sein Hirn nicht in irgendeiner Form von Ausstrahlung, sondern über ein altmodisches abgeschirmtes Kabel. Manchmal, sinnierte Jackson nüchtern, war die altmodische Methode die beste. Wie etwa die persönliche Inspektion von K-Cs Experimenten.
    Evan Wintertons langes, aristokratisches Gesicht begann mit einemmal zu beben. Die tiefliegenden Augen weiteten sich, schlossen sich. Da erkannte Jackson, daß er Zeuge einer extrem emotionalen Reaktion war. Thurmond Rogers’ erstarrtes Holo verschwand abrupt.
    »Was ist denn?« fragte Jackson. »Was ist passiert?«
    Winterton zauderte eine Sekunde lang mit der Antwort, und dann klang seine Stimme heiser. »Irgend jemand hat Sanctuary in die Luft gejagt.«
    »Sanctuary?«
    »Atombombe. Angriff von außen, Raketenflugbahn ging von Afrika aus. Der Präsident hat einen landesweiten Alarmzustand ausgerufen.« Winterton stand auf, machte einen sinnlosen Schritt und begann hektisch auf seinem Empfangsgerät herumzuschalten, während er immer noch seinem Ohrhörer lauschte.
    Jackson versuchte, die Neuigkeit zu verarbeiten. Sanctuary vernichtet. Und La Solana ebenso. Alle Schlaflosen – oder zumindest die meisten… aber nur Theresa, Vicki und er wußten das. Der Rest der Welt dachte, Miranda Sharifi befände sich sicher auf der Mondbasis Selene.
    »Wer…?«
    »Bedeutungslos«, sagte Winterton, und Jackson sah ein, daß es für den Anwalt tatsächlich keine Bedeutung hatte. Cisneros, Linville, Winterton und Adkins mußten zahlreiche Klienten haben, die direkte oder indirekte Geschäftsverbindungen zu Sanctuary unterhielten. Jennifer Sharifis Gewirr von Firmen, Lobbyisten, Investoren, Tochtergesellschaften und Datenatoll-Aktivitäten mußten natürlich eine Legion von Rechtsanwälten beschäftigen, sowohl Schlaflose wie Schläfer – letztere als Strohmänner. Jede Finanzinstitution auf der ganzen Welt mußte auf die Vernichtung von Sanctuary reagieren. Es würde Jahrzehnte dauern, die rechtlichen Implikationen zu entwirren.
    Aber die Nutzer hatten keine Jahrzehnte. Nicht, wenn sich das Neuropharm verbreitete.
    »Tut mir leid, Jackson, aber ich muß sofort weg«, sagte Winterton. »Dringende Aufgaben in der Firma.«
    »Aber ich habe Sie bereits beauftragt!« rief Jackson. »Sie sind dazu verpflichtet hierzubleiben, bis wir…«
    »Verzeihen Sie, das bin ich nicht«, entgegnete Winterton. »Noch wurde nichts Schriftliches vereinbart. Und wäre da nicht die dringende Erfordernis meiner Anwesenheit in der Firma… aber Sie sehen sicher ein, daß dieses Ereignis alles verändert. Sanctuary ist nicht mehr!«
    Nicht einmal Evan Matthew Winterton, bemerkte Jackson bei sich, als der Anwalt davoneilte, konnte den ehrfürchtigen Unterton in seiner Stimme vermeiden.
    Jackson starrte in den Teich mit seinem milchweißen Wasser, aus dem ohne Unterlaß die silbrigen Fische schossen. Um dieses Aktivitätsniveau halten zu können, mußte ihr Metabolismus gentechnisch beschleunigt sein. Jackson fragte sich, was sie wohl fraßen.
    Sanctuary ist nicht mehr. Dieses Ereignis verändert alles. Und dann, mit Vickis Stimme: E s hängt von Ihnen ab, Jackson.
    Er wollte nicht, daß es von ihm abhing. Er war ein Individuum, nicht besonders erfolgreich auf dieser Welt, und seine berufliche Ausbildung hatte nur seine Überzeugung erhärtet, daß keinem Einzelnen wirkliche Bedeutung zukam. Die Wissenschaft war anderer Ansicht. Aber die Evolution hatte sich noch nie für das Individuum interessiert, nur für das Überleben der Spezies. Einzig die chemischen Vorgänge im Gehirn umrissen die Handlungsmöglichkeiten des Individuums, egal, wie sehr diese Person auch an ihren freien Willen glauben mochte. Selbst die großen wissenschaftlichen Entdeckungen wären früher oder später von jemand anderem gemacht worden, anstelle jener Frauen und Männer, die sie tatsächlich gemacht hatten. Sobald die langsame Ansammlung von winzigen Wissensbrocken eine kritische Masse erreichte, entstanden eben Dampfschiffe, Relativitätstheorien oder Y-Energie. Für einen radikalen Wandel war das Individuum nicht wirklich wichtig. Vielleicht war da eine Miranda Sharifi die Ausnahme – aber Miranda Sharifi war kein normaler Mensch gewesen. Und nun gab es keine Miranda Sharifi mehr.
    Jackson wollte das alles nicht. Er wollte ein ruhiges Leben mit Theresa, er wollte wieder fähig sein, Cazie zu lieben,

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