Bettler 03 - Bettlers Ritt
versiegelten Türen die wirkliche Arbeit voranging – und zwar in Richtungen, die nichts dazu beitragen würden, daß der kleine Dirk sich weniger vor den Bäumen fürchtete, die vor seiner Haustür wuchsen.
Mach’s gut, Lizzie! Und mach es rasch!
Um Mitternacht bekam Jackson Kopfschmerzen. Seit Stunden konzentrierte er sich auf die Forschungsunterlagen, die man ihm zeigte, und versuchte, hinter den unscharfen Konturen das auszumachen, was man ihm nicht zeigte. Er hatte nichts gegessen. Er hatte kein Sonnenlicht aufgenommen. Hirn und Körper konnten einfach nicht mehr.
Und da fiel ihm zum erstenmal auf, daß Vicki nicht gekommen war.
»Diese spezielle Serie von Proteinstrukturen sah anfangs zwar vielversprechend aus«, sagte der Chefwissenschaftler, auf dessen Begleitung anstelle des Labortechnikers Jackson bestanden hatte, »aber wie Sie am Modell erkennen können, ist die Ionisation der Ganglien…«
»Wo ist Victoria Turner? Meine Assistentin, die schon seit Stunden hier sein sollte?«
Doktor Keith Whitfield Closson, einer der führenden Mikrobiologen der Vereinigten Staaten, starrte Jackson mit frostigen Augen an. »Ich habe keine Ahnung, wo sich Ihre Leute aufhalten, Herr Doktor.«
»Natürlich nicht. Entschuldigen Sie. Ich danke Ihnen für Ihre Mühe, Doktor Closson, aber ich glaube, es wäre besser, morgen weiterzumachen. Wenn Sie mir nur zeigen könnten, in welcher Richtung meine Unterkunft liegt…«
»Da werden Sie schon einen Holo-Führer vom Haussystem anfordern müssen«, sagte Closson mit noch frostigerer Stimme. »Gute Nacht, Herr Doktor.«
Das Holo führte ihn zu seinem Zimmer, einem gesichtslosen viereckigen Raum mit allem Komfort, jedoch ohne jede Ästhetik. Bett, Schrank, Schreibtisch, Sessel, Terminal. Jackson benutzte das Zimmerterminal, um Lizzie anzurufen.
Sie saß allein in demselben Raum wie vor Stunden, neben sich ein Tischchen, das übersät war von den Überresten einer echten Mahlzeit. Das Haar stand ihr in allen Richtungen vom Kopf ab – eine offensichtliche Folge nervösen Herumgezupfes im Eifer des Gefechts –, und ihre schwarzen Augen glänzten. Sie sah auch nicht andeutungsweise müde aus. Plötzlich fühlte Jackson sich sehr alt.
»Lizzie, wie sieht’s mit den Suchprogrammen aus?«
»Gut!« Sie grinste. »Bin schon ganz nah dran an einer wirklich guten Sache. Oh, und Vicki hat mir aufgetragen, Ihnen zu sagen, daß sie noch in der Dekontamination ist und demnächst bei Ihnen eintreffen wird.«
»Was hat sie denn so lange aufgehalten?«
»Das wird sie Ihnen selbst sagen. Tut mir leid, Jackson, aber jetzt muß ich weitermachen.«
Es war das erste Mal, daß Lizzie ihn beim Vornahmen genannt hatte. Unwillkürlich mußte Jackson wehmütig lächeln. Lizzie betrachtete sich und ihn jetzt als gleichgestellt. Wie schmeckte ihm das?
Er war zu müde, um sich darüber Gedanken zu machen.
Als er aus der Dusche kam, gekleidet in einen Kelvin-Castner-grünen Pyjama, saß Vicki in seinem einsamen K-C-grünen Sessel.
»Hallo, Jackson, ich bin einfach reingekommen.«
»Das sehe ich.« Wurde sein Zimmer abgehört? Selbstverständlich.
Vicki sah noch erschöpfter aus, als Jackson sich fühlte. Anstelle der Nutzer-Overalls, die sie sonst immer trug, hatte sie diesmal Hosen und Hemd in K-C-Grün an, wie sie nach der Dekontaminationsprozedur bereitlagen. Sie sagte: »Ich war bei dir zu Hause, deshalb bin ich nicht früher hergekommen. Schau mich nicht so erschrocken an, Theresa geht es gut. Aber ich muß dir eine Menge erzählen.«
»Aber vielleicht nicht…«
»… vom anderen Ende des Zimmers. Du hast ja so recht, Liebling.«
Sie stand auf und ging auf ihn zu – und blieb nicht stehen, sondern drückte ihn auf das Bett und streckte sich neben ihm aus. Sie legte den Mund dicht an sein Ohr und flüsterte: »Könnten Sie vielleicht so tun, als wäre es echt? Überwachungskameras!«
Jackson legte die Arme um sie. Vermutlich war sie geübt in dieser Art von Dingen; er jedenfalls nicht. Er war verlegen, albern, ausgepumpt und lüstern. Ihr Körper fühlte sich leicht und lang an in seinen Armen, völlig anders als Cazies sinnliche Üppigkeit. Sie roch nach Dekontaminationsflüssigkeit und nach sehr sauberem Frauenhaar.
Sie legte ihren Mund noch dichter an sein Ohr. »Lizzie hat ihren Stamm vor zwei Wochen verlassen, weil sie hochempfindliche Überwachungsgeräte dort entdeckt hat, deren Daten nach Sanctuary gingen. Sanctuary war für das Neuropharm verantwortlich. Nein,
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