Bettler 03 - Bettlers Ritt
Überblick über das Gespräch verloren. Laut sagte sie: »Also hab ich denen in Harrisburg gesagt, daß sie ‘ne Sonderwahl abhalten müssen, un’ die sagten, das hätten sie auch vor. Am ersten April. Es gibt zwei Kandidaten, die beiden Wahlansprachen kann man auf Kanal 63 abrufen. Aber…«
»Und natürlich«, unterbrach Vicki sie, »geben beide die alten müden Versprechungen ab, die alten feierlichen Gelöbnisse, für stetige und zuverlässige Dienste zu sorgen. Mittlerweile gibt es genau zweihundertsechzig registrierte Wähler im Distrikt Willoughby für Nicht-Enklave-Wahlen: Unser Stamm hier plus ein paar Macher in den Bergenklaven, die sich während der Umstellungs -Kriege aus Manhattan in ihre Sommerhäuser verzogen haben und immer noch dort leben. Die vor der Revolution geflüchtet sind. Werktätige aller Länder vereinigt euch, ihr habt nichts zu verlieren als eure Lagerhäuser.«
Lizzie sagte: »Also haben wir…«
»Der Gedanke hier ist«, fuhr Vicki fort, »daß Sie und Ihre makellosen Macher-Referenzen herausfinden könnten, wie es intern um die wahre Politik der beiden Kandidaten bestellt ist. Wegen der…«
»Ich rede jetzt!« rief Lizzie so laut, daß Dirk aufwachte und blinzelte. »Vicki… ich erzähle es. Es ist meine Idee. Es gehört mir.«
»Tut mir leid, Kind«, sagte Vicki und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
Das war ebenso schlecht. »Ich bin kein Kind! Das sagte ich dir schon mal!«
Und dann tauschten Vicki und Doktor Aranow einen Blick, aus dem Lizzie ersah, daß sich die beiden über sie amüsierten, und das machte sie so wütend, daß ihr der Umstand einer offenbar allerersten Übereinstimmung zwischen den beiden völlig egal war. Es war ihr sogar egal, daß dieser Umstand gut für den Plan sein sollte. Diese beiden hielten sie immer noch für ein Kind. Aber darin wollte Lizzie sie eines Besseren belehren! Sie war Lizzie Francy, die beste Hackerin im Land, sie war eine Mutter, und sie würde die Welt besser machen für ihr Kind! Ganz allein, wenn es sein mußte! Und das würde ihnen recht geschehen! Denn ihr Plan mußte aufgehen, und diesmal konnten nicht einmal Macher-Gesetze sie aufhalten!
Eisig sagte sie: »Wir werden unseren eigenen Kandidaten aufstellen. Für den Distriktsleiterposten. Jemand aus dem Stamm. Einen Nutzer.«
So, das war schon besser. Doktor Aranow glotzte sie an, als hätte sie ihn wirklich überrascht. Als wäre sie jemand, von dem sogar ein Macher Notiz nehmen mußte!
Doch dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck wieder. Er sagte sanft – zu sanft: »Aber, Lizzie – auch wenn ihr das durchziehen könnt… auch wenn ihr es schafft, einen Nutzer zum Distriktsleiter zu wählen: Wißt ihr denn nicht, daß die Macher Steuern entrichten, indem sie eure Versorgung aus ihrer eigenen Tasche zahlen? Im Austausch für Wählerstimmen? Auf diese Weise bekommen – oder bekamen – sie die Macht, Gesetze zu entwerfen, die ihnen passen, und ihr bekommt alles, was ihr zum Lebensunterhalt braucht. Doch wenn ein Nutzer gewählt würde – wie sollte er denn ein Lagerhaus füllen? Ihr habt dazu doch nicht das Geld! Du siehst, Kleines…«
»Reden Sie zu mir nich’ wie zu ‘nem Schwachsinnigen, Sie Mistkerl Sie!«
Doktor Aranows Augen weiteten sich. Hinter sich hörte sie Vicki beben vor unterdrücktem Lachen. In diesem Moment haßte Lizzie beide, aber zumindest hatte sie Doktor Aranows Aufmerksamkeit errungen. Dirk regte sich in ihren Armen und wimmerte leise. Lizzie sprach mit gedämpfter Stimme weiter, und der Kleine schlief wieder ein.
»Ich… ich weiß mehr da drüber als ihr beide zusammen! Die Lieferungen an die Lagerhäuser, die kamen nich’ alle von den Politikern. Es gibt ‘nen Fonds aus Steuergeldern, in den sie alle einzahlen, un’ der wird dann unter den Distrikten von Pennsylvania aufgeteilt, un’ man kann ihn für alles verwenden, was grade gebraucht wird. Dieses Geld – das will ich haben.«
»Da haben Sie’s, Jackson. Sie sind nicht auf dem letzten Stand der Informationen, was staatliche Bestimmungen betrifft«, murmelte Vicki. »Tja, die Medizin ist eine Geliebte, die einen völlig vereinnahmt.«
»Ich will dieses Geld haben!« wiederholte Lizzie, weil Doktor Aranow zum ersten Mal beeindruckt wirkte. Oder verblüfft. War er verblüfft? War es ehrlich so hoffnungslos für einen Nutzer, gewählt zu werden? Wiederum überkamen Lizzie heftige Zweifel. Vielleicht konnte das wirklich nicht funktionieren… Doch. Es konnte. Sie würde es
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