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Bettler 03 - Bettlers Ritt

Titel: Bettler 03 - Bettlers Ritt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Inhalator unter die Nase zu halten. Billy wankte. Scott Morrison machte einen Satz auf den Macher-Jungen zu und bekam ihn zu fassen. Sofort setzten sich RoboKams surrend Richtung Kampfgeschehen in Bewegung. Der Kandidat stürzte sich auf einen zweiten Macher-Teenager, und Sharon kreischte. Annie, immer noch Dirk im Arm, rannte zu Billy, der jetzt ein seltsam hohles Lächeln aufgesetzt hatte. Dirk begann zu schreien. Sharon fuhr fort zu kreischen. Cazie warf den Kopf zurück und lachte – ein häßliches Geräusch, das sich irgendwie gegenüber dem restlichen Krach behaupten konnte. Sie sandte dem TenTech-Ingenieur eine Botschaft, indem sie mit den Lippen tonlose Worte formte, und Jackson las sie mit: »Hier wird aktive amerikanische Politik gemacht!«
    Jackson schloß die übel zugerichtete Eingangstür.
    Lauter Narren. Es hatte Jackson ein wenig überrascht, als er entdeckte, daß so viele Nutzer zäh entschlossen waren, für Shockey zu stimmen, obwohl sie jede Menge Geschenke von der Gegenseite annahmen. Shockey würde die Wahl klar gewinnen, aber Jackson fürchtete, daß es auf lange Sicht keinen wie immer gearteten Unterschied machen dürfte. Shockey würde nicht deshalb siegen, weil die Nutzer auf dem Weg zur Macht waren, sondern weil die Macher die Wahl nicht ganz ernst genommen hatten. Sie hatten das Zuckerbrot verwendet, aber nicht die Peitsche, hatten ihren Tand in alle Windrichtungen verstreut und angenommen, damit das Problem gelöst zu haben. Wenn sie am Wahltag erkannten, daß es nicht gelöst war, würden sie das Zuckerbrot in den Ruhestand schicken. Nutzer-Lager waren ungeschützt, unbewaffnet und ohne Technik. Der nächste Nutzer-Kandidat für irgendein öffentliches Amt würde verlieren. Jackson wohnte hier einem historischen Glückstreffer bei, einer unwiederholbaren Unwahrscheinlichkeit, für die er sein ganzes Prestige bei seinen eigenen Leuten aufs Spiel setzte. Was ihn zum größten Narren von allen machte.
    Irgendwo im Gebäude weinte jemand.
    Er suchte sich einen Weg durch das Halbdunkel, an den zerfallenden gemeinschaftlichen Möbeln vorbei, durch das Labyrinth aus wackligen Bretterwänden, aufgestellten Sofas, kaputten Regalen und selbstgewebten Vorhängen. Das Schluchzen wurde lauter. Jackson kam am WebRob vorbei, der aus jedwedem organischem Material, das in seinen Fülltrichter geschmissen wurde, geduldig Meter um Meter häßlichen schwärzlichbraunen Stoffes fabrizierte. Der Rob summte leise, und dahinter, am Ende der abgeteilten Verschläge, stieß Jackson auf die Quelle des Weinens.
    Ein Junge. Er stand vornübergekrümmt mit dem Rücken zu Jackson da; durch die Löcher in seinem Hemd sah man die Sommersprossen auf seiner Haut. Vicki stand neben dem Jungen, einen Arm um seine schmalen Schultern gelegt, womit sie ihn augenfällig vor dem Zusammensinken bewahrte. Als die beiden sich umdrehten, sah Jackson, daß der Junge über ein Baby in seinen Armen gebeugt war.
    »Ich wollte Sie gerade holen«, sagte Vicki ernst.
    Jackson griff nach dem Baby. Er hatte sofort gesehen, daß es im Sterben lag, vermutlich durch irgendeinen mutierten Mikroorganismus, der bereits das Immunsystem zerstört hatte. Candidose hatte den Mund des Babies mit weißlichen Flecken überzogen, und seine Haut war übersät mit subkutanen Hämatomen. Die Wangenknochen traten beinahe durch die gelbliche Haut. Jackson hörte, wie die Lunge des Kindes sich anstrengen mußte, um zu atmen. An seinem Hals klebten zwei Pflaster, ein blaues und ein gelbes: Breitbandantibiotika und Antivirale. Vicki hatte sie immer bei sich. Sie würden nicht mehr helfen; es war viel zu spät dazu.
    »Sin’ Sie der Doktor?« keuchte der Junge. »Das da, das is’ meine Tochter. Können sie ihr ‘ne Umstellungs- Spritze geben? In meinem Stamm, da gibt’s keine mehr… woanders auch nich’. Hab gehört, von euch hier…«
    »Nein«, sagte Jackson, »ich habe keine Spritzen mehr.«
    Vicki starrte ihn an wie vor den Kopf geschlagen. Sie hatte offenbar eine andere Antwort erwartet, denn sie wußte natürlich nicht, daß Theresa seine mageren Vorräte ausgeräumt hatte.
    »Sie haben keine Spritzen nich’?« sagte der Junge, »Ehrlich?«
    »Ehrlich«, sagte Jackson.
    »Aber Sie sin’ doch ‘n Doktor, oder?… ‘n Macher-Doktor?«
    Jackson antwortete nicht. Keiner sprach. Qualvoll zog sich das Schweigen hin. Schließlich nickte Jackson kläglich und schüttelte dann den Kopf. Er ertrug es nicht, dem jungen Vater in die Augen sehen zu

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