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Bettler 03 - Bettlers Ritt

Titel: Bettler 03 - Bettlers Ritt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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sie gewußt, daß sie in Augenblicken der Nervosität – auch wenn sie nicht in den Nutzer-Jargon verfiel – klang wie ihre Mutter. Die formidable Annie. Jackson verriet es ihr nicht. In den letzten drei Monaten, als dauernder Zuseher bei dieser hirnrissigen Wahlkampagne, war ihm Lizzie richtiggehend ans Herz gewachsen. Sie war eine sonderbare Kombination aus Härte und Verletzlichkeit. Manchmal erinnerte sie ihn geradezu an Theresa.
    Was bei weitem kein ausreichender Grund war, sich in dieses weltfremd-idealistische Projekt einspannen zu lassen. Weshalb also dann?
    »Hör zu, Lizzie, in sechs Tagen ist die Wahl. Du wirst schon darauf vertrauen müssen, daß Harry Jenner und der Rest trotz der… Geschenke für Shockey stimmen.« Geschenke. Bestechungsgaben. Reparationsleistungen.
    »Glauben Sie denn, daß sie für Shockey stimmen werden?« Ihre schwarzen Augen bekamen einen flehentlichen Ausdruck.
    »Eigentlich«, sagte er zögernd, »ja. Ich glaube, daß der Haß der Nutzer, der von den Umstellungs -Kriegen noch übrig blieb, stärker ist als ihre Habgier.« Oder ihre Dankbarkeit. Die Nutzer waren ganz genau jene Opportunisten, zu denen die Macher sie erzogen hatten.
    »Das sagt Vicki auch.«
    Jackson wollte nicht über Vicki reden, die man zurückgelassen hatte, um im ›Wahlkampf-Hauptquartier‹ für Ordnung zu sorgen, und die so sehr Teil von Shockeys Stamm war, daß sie nicht hier im Dreck stehen mußte, um das zu beweisen – in der Aufmachung von jemandem, der sie nicht war. »Wir können den nachteiligen Effekt Ihrer offenen Anwesenheit nicht brauchen«, hatte sie zu Jackson gesagt, »und Sie können den nachteiligen Effekt für Ihre… ääh… medizinische Karriere auch nicht brauchen.« Ja. Ganz recht.
    »Okay«, seufzte Lizzie. »Ich sage ihnen nicht, daß sie die Roller und alles andere zurückgeben müssen. Aber ich werde ihnen noch mal sagen, daß sie unbedingt für Shockey stimmen müssen!«
    »Dann tu das bitte gleich. Dieser Reporter dort fängt grade wieder an, sich für dich zu interessieren. Und für mich.«
    »Dann sehen wir uns später im Lager.«
    »Gut.« Jackson nickte und machte sich auf den Weg zurück durch den Wald.
    Nach ein paar Kilometern Fußmarsch war ihm warm genug, um die Jacke aufzumachen und sie dann ganz auszuziehen. Den Hut ließ er auf; Reporter, die keine bessere Story zu verfolgen hatten, waren in Luftwagen und mit ZoomKams unterwegs, um diesen Wahlfeldzug zu dokumentieren. Der, je nachdem welchen Nachrichtenkanal man einschaltete, entweder ein Anschlag auf den gesunden Menschenverstand, eine Bedrohung dessen, was von der zivilen Ordnung noch übrigblieb, eine bedeutungslose Fußnote politischer Geschichte oder ein monumentaler Scherz war. Gelegentlich von allem etwas.
    Selbst für Susannah Wells Livingston und Donald Thomas Serrano. Letzte Woche hatte Jackson, der Spion im Lager des Feindes, eine Wahlveranstaltung von Don Serrano besucht. Er hatte dabei erfahren, daß der Macher-Kandidat sich nicht wirklich Sorgen um sein Abschneiden machte. »Ich habe eine Reihe von ›Zuwendungen‹ aller Art unter meiner Wählerschaft verteilt«, hatte Serano ihm verraten. »Seit wann soll man denn einen Nutzer nicht kaufen können?« Jackson hatte nur genickt. War das nicht ganz genau das, was auch er selbst gedacht hatte, bis Lizzie Francy aus einem Loch in zweieinhalb Metern Höhe in sein Leben gepurzelt war?
    Für Cazie hingegen war die Wahl kein monumentaler Scherz. Um ihr aus dem Weg zu gehen, war Jackson vorübergehend aus seinem Apartment unter einem anderen Namen in ein Hotel in der Enklave Pittsburg gezogen. Es war kein Luxushotel, sondern in erster Linie eine Unterkunft für Techs, jene Randerscheinungen der Macher-Gesellschaft, deren Eltern ihren Kindern nur begrenzte GenMods hatten kaufen können – fast durchwegs für das Aussehen. Techs arbeiteten für ihren Lebensunterhalt, hatten aber nirgendwo das Sagen. Jackson bewegte sich unauffällig zwischen ihnen. Er sprach täglich mit Theresa, der einzigen Person, die seinen Aufenthaltsort kannte, über ein, wie er hoffte, ausreichend gesichertes MobiLink. Daß Cazie ihn nicht finden konnte, verschaffte ihm ein seltsames Gefühl der Befriedigung; es war fast ebenso großartig wie das Wissen, daß sie nach ihm suchte.
    Er brauchte drei Stunden, um zu Lizzies Stamm zurückzukehren. Die Spätnachmittagssonne schien schräg über die Berggipfel, deren Kieferngrün immer noch mit dem Weiß von altem Schnee durchsetzt war. Die

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