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Bettler 03 - Bettlers Ritt

Titel: Bettler 03 - Bettlers Ritt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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müssen.
    Der Junge begehrte nicht auf, explodierte nicht – er begann nicht einmal wieder zu weinen. Aus dem Zusammensacken seiner Schultern sprach nur Resignation: der Junge hatte nicht wirklich auf Hilfe gehofft. Er hatte sie nie irgendwo gefunden. Er war hergekommen, weil er nicht wußte, was er sonst hätte tun können.
    »Werden Sie trotzdem Ihr Möglichstes tun, Jackson?« fragte Vicki mit gepreßter Stimme.
    Sie hatte bereits seine Tasche aus ihrem Winkel inmitten des Stammesgerümpels geholt, und so ging Jackson alle notwendigen, vergeblichen Handgriffe durch. Als er fertig war, sagte der Junge: »Vielen Dank, Herr Doktor«, und damit war Jacksons Frustration komplett.
    »Kommen Sie mit mir«, sagte Vicki, und er folgte ihr, in erster Linie, um wegzukommen, ganz egal, wohin.
    Nutzer waren von draußen hereingekommen und saßen lebhaft schwatzend in den gemeinschaftlichen Sesseln. Vicki führte Jackson um das Labyrinth aus Verschlägen herum und durch einen Vorhang, der zwischen einer Wand und einem langen, gekippten Tisch gespannt war. »Hier kommt niemand her, Jackson.«
    »Wo ist die Mutter dieses Kindes?«
    Vicki hob die Schultern. »Sie wissen doch, wie es ist. Sie werden so leicht schwanger, nichts kann schief gehen in ihrem Körper, alle Kinder werden praktisch vom ganzen Stamm aufgezogen. Wenn jemand sich nicht kümmern will um sein Kind, dann braucht er es auch nicht zu tun.«
    »Das ist aber nicht richtig! Diese neue soziale Organisation, bewirkt von der Umstellung, sie ist ganz einfach falsch!«
    »Ich weiß.«
    »Sie wissen es? Ich dachte, Sie wären die größte Befürworterin dessen, was Miranda Sharifi der Welt geschenkt hat!«
    »Ich bin die größte Befürworterin einer Anpassung daran. Denn bis jetzt haben wir das nicht getan.«
    Er hatte sie noch nie so gesehen: ernst, gerade heraus, nicht versteckt hinter amüsierter, distanzierter Gleichgültigkeit. Aber so mochte er sie nicht; sie versetzte ihn in Unruhe damit. Um ihrem Blick zu entgehen, sah er sich in dem Verschlag um und merkte, daß es der ihre sein mußte. Der kleine Raum unterschied sich in nichts von denen der anderen Stammesmitglieder: Strohsack auf dem Boden, zerkratzte Kommode, auf der selbstgemachter Schmuck herumlag, Kleider auf Haken. Nichts so Wertvolles oder Unpassendes wie das Jansen-Sagura-Terminal und die Kristallbibliothek in Lizzies Winkel. Und doch gehörte der kleine Raum unverkennbar einem Macher und nicht einem Nutzer: das verrieten die Farben, die gedämpft und harmonisch waren; das Arrangement der Möbel; der einzelne Weidenzweig, der mit fernöstlicher Schlichtheit und Eleganz in einer schwarzen Tonvase steckte.
    »Haben Sie eigentlich bemerkt, daß Sie weinten, als Sie das Baby hielten?« fragte Vicki.
    Er hatte es nicht bemerkt, und jetzt fuhr er sich über die nassen Wangen und verabscheute Vicki, weil sie es bemerkt hatte. Doch zugleich war er dankbar dafür, daß sie die Nutzer, die lärmend und lachend im Zentrum des Gebäudes herumhockten, nicht auf seine Tränen aufmerksam gemacht hatte.
    Er sagte – weil er sich bemüßigt fühlte, irgend etwas zu sagen: »Sie leiden. Nicht hier, in diesem Stamm, aber anderswo, an Orten, wo es noch weniger Mittel gibt, dort leben sie…«
    »Die Armen haben immer in einem anderen Land gelebt als die Reichen. In jedem Zeitalter. Ganz egal, wie nahe ihre Häuser beieinander standen.«
    »Bitte halten Sie mir keine Vorträge über…«
    »Sehen Sie sich das hier an, Jackson.« Sie öffnete die oberste Schublade der Kommode, zog einen Holo-Recorder hervor und sagte zu ihm: »Aufnahme drei abspielen.« Sie streckte ihn Jackson hin, und er nahm ihn.
    Auf der Miniaturbühne lief der Zweiminutenausschnitt einer Nachrichtensendung eines Macher-Kanals; der Tonfall des Interviewers bewegte sich irgendwo zwischen Amüsement und Verachtung, als er den Sprecher einer texanischen Ärztegruppe, die direkt vor der Enklave Austin eine Y-geschützte Klinik eingerichtet hatten, in der sie nicht umgestellte Nutzer-Kinder behandelten, befragte. »Es ist notwendig«, sagte der müde aussehende junge Arzt, der dringend einen Haarschnitt brauchte, »sie haben Schmerzen. Was Miranda Sharifi hier geschehen läßt, ist einfach kriminell.« Die Holobühne erlosch.
    Vicki schnaubte verächtlich. »Was Miranda geschehen läßt! Wir übernehmen immer noch nicht die Verantwortung!«
    »Wer ist ›wir‹?« fuhr Jackson sie erbost an. »Manchmal verwenden Sie ›wir‹ für Nutzer, dann wieder für

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