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Bettler und Hase. Roman

Bettler und Hase. Roman

Titel: Bettler und Hase. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuomas Kyrö
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gehörte Goodluck Jeffersson dazu, ein norwegisch-ghanaischer Riese, der über Ölplattformen und Fischfabriken auf die Baustelle des National-Idea-Parks gekommen war. Er hatte in Ghana promoviert, aber die Rolle des politisch engagierten, kühlen Intellektuellen löste sich auf dem Floß in Luft auf, mit dem Goodluck Jeffersson und 2456 andere auskommensbeeinträchtigte Menschen das Mittelmeer nach Italien überquerten.
    Vatanescu stand einen, dann einen zweiten Tag am Schlauch, und am Mittag jenes zweiten Tages verschwanden zum ersten Mal die Beeren aus seinem Kopf. Das Kaninchen bewegte sich im Arbeitsoverall, tauchte ab und zu am Kragen auf, um zu schauen, ob sich Zeit und Ort geändert hatten, ob man es wagen konnte, rauszukommen, blieb dann aber doch lieber in der Sicherheit von Vatanescus Schweißgeruch. Nach und nach ließ Vatanescus Bewusstsein alle Gedanken und Gefühle fahren, zurück blieb nur der Schlauch, zu dessen Bestandteil er geworden war.
    Auf den dritten Tag folgten zwei Tage Urlaub.
    Jeffersson und Öunap trugen Vatanescu an Armen und Beinen zu der Wildmarkhütte, die sie in Besitz genommen hatten, nachdem sie des Lebens im Wohnwagen überdrüssig geworden waren, weil es darin immer zu kalt oder zu heiß gewesen war und weil Mäuse über den Fußboden und durch den Essensschrank gelaufen waren und schließlich sogar eine Ratte.
    Jeffersson hatte Strom zu der Vierzig-Quadratmeter-Hütte im Wald gelegt, im Kamin brannte ein Feuer. Es war so gemütlich, wie es in der gemeinsamen Behausung zweier heterosexueller Männer nur sein konnte. An den Wänden hingen Fotos von den Kindern und der in Jefferssons Augen schönsten Frau der Welt, der norwegischen Speerwerferin Trine Hattestad. Jeffersson hielt sie für ein zupackendes und warmherziges Weibsstück zugleich und glaubte, mit so einer relativ konfliktlos zusammenleben zu können, ganz im Gegensatz zu den vier Frauen aus seinem früheren Leben.
    Vatanescu schlief schon ein, als die Männer ihn zur Hütte trugen; dort angekommen, versank er auf dem oberen Bett in noch tiefere Bewusstlosigkeit. Schüchtern kam das Kaninchen aus dem Overall. Es sprang Öunap direkt auf den Schoß.

Öunap rührte in einem großen Suppentopf. Vatanescu fragte ihn, wie lange er geschlafen habe.
    »Achtzehn Stunden.«
    Die Mikrowelle machte pling, und Öunap entnahm ihr die vegetarische Pizza für das Kaninchen. Er erzählte, wie sehr das Tier für gute Laune sorge, fast so als hätte man weibliche Gesellschaft bekommen. Nicht im Sinne der Begattung, sondern der Aufmunterung, weil es einen am Ende doch abstumpfe, immer nur mit Kerlen dasselbe Zeug zu reden. Aber kaum war das Kaninchen da, überlegte man sich plötzlich, wo man die dreckigen Strümpfe und die leeren Bierdosen hinwerfen sollte.
    Vatanescu versuchte sich umzudrehen, aber ihm tat jeder Muskel und jede Sehne weh. Öunap bemerkte das schmerzhafte Ächzen und sagte, irgendwann würden die Muskeln begreifen, dass es sich nicht rentierte, aufzumucken, denn die Arbeit hörte einfach nie auf.
    Mit Mühe drehte sich Vatanescu auf den Bauch und zog sich an den Bettrand. Von dort aus sah er Wände aus Holzbalken, ein schmieriges Fenster und Jeffersson, der die Steuerung einer Playstation traktierte.
    Die Beeren. Wir teilen. 33 , 33 , 33 .
    Öunap rührte mit dem Schraubenzieher im Suppentopf und schüttete Vatanescu eine große Portion dampfende Rentierschwanzsuppe in den Teller. Nachdem Vatanescu zehn Löffel voll gegessen hatte, war er richtig wach. Öunap bat ihn, gut zuzuhören.
    »Das Beerenpflücken ist eine Branche auf dem absteigenden Ast. So wie die Rentierwirtschaft.«
    Heutzutage müsse man Kapitalinvestor sein, meinte Öunap, nicht Beerenpflücker. Man müsse als Wiederverkäufer oder Unterhaltungsproduzent tätig werden und eine Firma gründen, am besten eine o HG oder eine GmbH, dann komme man mit weniger Steuern davon.
    »Dividenden einstreichen, Werbungskosten absetzen und so weiter«, sprang ihm Goodluck Jeffersson mitten im 110 -Meter-Hürdenlauf bei.
    »Schau mal aus dem Fenster!«, sagte Öunap.
    Durch die Schicht von Fett und vergangenen Jahrzehnten konnte man nichts sehen, aber Öunap bat Vatanescu, die Phantasie ein bisschen zu bemühen.
    »Die Fjälls da draußen heißen Pallastunturit. Morgen steht dort ein Hotel. Die alten Fjälls bleiben zwar, wo sie sind, aber sie werden zum Skizirkus zusammengelegt. Lifte, Sprungschanze, Abfahrtshang.«
    Hör mir zu! Im Ernst … eine Riesenmenge … gelbe

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