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Bettler und Hase. Roman

Bettler und Hase. Roman

Titel: Bettler und Hase. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuomas Kyrö
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Beeren … Sie sind in Sicherheit, ich habe sie versteckt.
    »Vatanescu«, sagte Öunap und schaute Vatanescu in die Augen.
    Na?
    »Das Moltebeerenmoor.«
    Ja?
    »Daraus haben sie einen Parkplatz gemacht.«

Das Wasser vereinigte sich mit dem Zement, und der flüssige Beton blubberte. Es wurden so viele Glaselemente verbaut, dass auch das fertige Gebäude noch halbfertig aussehen würde, aber Böden, Wände und Decken waren, wo sie hingehörten, und würden zwanzig Jahre lang dort bleiben – bis man das Gebäude sprengte, um Platz für ein neues zu schaffen. Einschließlich sämtlicher Kabel, Rohre, Zwischendecken, nichttragender Wände, Steinplatten, Sickergruben, Ersatzkraftwerke, Sicherheitssysteme.
    Unser Held fügte sich als kleines Rädchen im Getriebe von Maschinen, Menschen und Sprengstoff in sein Schicksal, das allerdings besser war, als es auf den ersten Blick aussah. Immerhin entstand hier Stück für Stück eine ganze Welt, eine Einkaufswelt, und an deren Bau beteiligt zu sein, fand Vatanescu durchaus zufriedenstellend, denn jeder Arbeitstag hatte einen Sinn. Die drei Männer lebten wie Brüder oder Internatsschüler in der Wildmarkhütte zusammen, und für das Kaninchen hatte Jeffersson eine eigene Miniaturhütte gezimmert.
    Vatanescu pumpte Beton, trug Balken, lernte von Jeffersson diverse Zimmermannskünste, setzte bald geschickt Wasserwaage und Stichsäge ein und beherrschte Gehrungssäge und Laminatschneider. Von Öunap lernte er, wie man auch die Abende produktiv verbrachte: beim Pokern mit den wenigen Finnen, die es auf der Baustelle gab. Da konnten am Zahltag aus einem Lohn schon mal fünf Löhne werden.
    Sechshundert … siebenhundert … siebenhundertvierzig Euro.
    Es wird Zeit.
    Auf dem Beifahrersitz von Öunaps Laster fuhr er nach Muonio. Dort kauften sie im Lebensmittelladen Zigarettenpapier, Thunfisch in der Dose, Fleisch mit rotem Punkt und finnisches Bier in aktenkofferförmigen Kartons sowie drei Stangen von Jefferssons Lieblingssnack: Kalbsleberwurst.
    Dann nichts wie ins Sportgeschäft!
    Ich kenne Adidas, Nike und Reebok. Gibt es noch eine bessere Marke? Geld spielt keine Rolle.
    Es sei die falsche Jahreszeit, die falsche Saison, behauptete der Verkäufer. Man warte auf Schnee, weshalb das Lager randvoll mit Langlaufskiern für den klassischen Stil, Skiern zum Skaten, Carving-Skiern sei. Wie es mit so etwas wäre. Oder dürfe es vielleicht eine Ausrüstung zum Eisangeln sein oder warme Handschuhe für die Jagd? Schneeschuhe vielleicht? Stollenschuhe kämen im April wieder rein; Fußball sei für Jugendliche im Norden nicht unbedingt die Nummer eins unter den Sportarten.
    »Motorschlitten, Abfahrtslauf, Fischen, you know. Jagen.«

    Jeffersson klopfte Vatanescu auf die Schulter und verbot ihm, zu resignieren. Stattdessen solle er auf Jefferssons tragbarem Computer eine Bestellung im Internet aufgeben.
    Tatsächlich klickten sie sich aus dem unendlichen Angebot die Stollenschuhe heraus, für die der teuerste Fußballprofi Werbung machte. Dem gut zwanzigjährigen Straßenjungen mit der Schmalzlocke wurden für jede Minute, die er lebte, atmete und sich aufplusterte, Zigtausende gezahlt. Der Minutenpreis von Vatanescu, Öunap und Jeffersson belief sich auf ungefähr ein Millionstel davon.
    Als Vatanescus Bestellung aufgegeben war, fehlte nur noch die Geheimzahl fürs Online-Banking.
    Geheimzahl fürs Online-Banking? Kreditkartennummer? Adresse? Persönliche Angaben?
    Hätte ich mir ja denken können.
    Ich gehe schlafen.
    Mit der Kraft seines Zorns leistete Vatanescu so viel gute Arbeit, dass er vom Schlauchhalter zum Lkw-Fahrer befördert wurde. Von nun an holte der führerscheinlose rumänische Bettler am Flughafen und am Bahnhof die Neuankömmlinge ab. Niemand wusste, wer er war, denn die wenigsten interessierten sich für die Vergangenheit der anderen, und die Zukunft war für alle gleich: hoffentlich besser. Mal wurde Vatanescu als bulgarischer Armiereisen-Iwan, mal als polnischer Miroslaw, Sohn von Bronislaw oder als albanischer Fuchs bezeichnet.

Jegor Kugar war gezwungen, bei seinen Paarungsentscheidungen gewisse Präzisierungen vorzunehmen. Stürzt der Marktwert eines Mannes abrupt und überraschend ab, zeigt sich das zwangsläufig im Niveau seiner Begleiterinnen. Im seinem früheren Leben hatte er jede zu sich rufen können, und jede war gekommen. Er brauchte nur einen Wurm am Haken zu befestigen und die Angel auszuwerfen – immer machte er einen Fang. Aber nun ging es mit Jegors

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