Bettler und Hase. Roman
bin ich nicht.
Ich bin Vatanescu, aus Rumänien.
Nach Mitternacht war der Arbeitstag vorbei. Die Reisenden sanken in den Schlaf, vertieften sich in Bücher oder in Musik und Filme aus ihren tragbaren Computern. Vatanescu und Pommakka teilten das Geld auf, und Vatanescu ging zum Schaffner, um nach zwei Schlafwagenabteilen zu fragen. Der Mann sah sich auf seinem Lesegerät die Buchungslage an und stellte fest, dass es nur noch ein freies Abteil gab.
»Es hat allerdings drei Betten.«
Ich bin abgehärtet, ich kann überall schlafen, solange es sicher ist.
Ich setze mich mit dem Kaninchen auf einen normalen Sitzplatz.
Sanna Pommakka verbot ihm das Selbstmitleid und die Märtyrerpose. Sie war gerade dabei, beides aus ihrem eigenen Leben und ihren inneren Sedimenten zu entfernen, und sie würde es auch dem Repa-Rent-Mann austreiben. Sie befahl Vatanescu, mit ins Abteil zu kommen. Dann bezahlte sie mit dem Zaubergeld die Fahrkarten bis zur Endstation. Bis Helsinki würden sie noch acht Stunden schlafen können.
»Wir sind Partner.«
Partner?
»Geschäftspartner.«
Na, wenn das so ist, dann …
Nimm du das untere Bett.
Sobald die beiden im Abteil verschwunden waren, aktualisierte der Schaffner für die privaten, allgemeinen und unersättlichen Medien die Angaben über das Ziel der Reisenden.
Vatanescu befreite sich von seinem Overall und hoffte, dass sein Fußschweiß nicht zu penetrant in Sanna Pommakkas Nase stieg. Das Kaninchen rümpfte die Nase und rollte sich unter der Leselampe auf Vatanescus Kopfkissen zusammen.
Wie lange ist es her, dass ich bei einer Frau geschlafen habe?
Oder wenigstens in einem Raum?
Sanna Pommakka zog die Anzugjacke, die Fliege, das gesamte Zauberkostüm aus und hoffte, dass ihr Achselschweiß nicht zu penetrant in Vatanescus Nase drang. Sie überschlug, wie viel sie verdient hatte, eine ganze Menge, ein dickes Bündel gebrauchter Scheine. Damit würde sie die Miete für den nächsten Monat bezahlen können und die ausstehenden Mieten der Vormonate ebenfalls. Sie war eine Künstlerin, die ihre Arbeit gemacht hatte, und in ihrem Abteil lag ein anständiger Mann. Der erste Mann in Sanna Pommakkas Leben, mit dem es bislang nicht kompliziert gewesen war. Sie musste ihm nichts vorspielen, musste sich weder größer noch kleiner machen, als sie war. Außerdem hatte das Trio Kaninchen/Vatanescu/Pommakka auch in beruflicher Hinsicht glänzend funktioniert, weshalb es auf irgendeine Art am Leben erhalten werden musste.
»Wie wäre es, wenn wir zum Beispiel auf der Straße auftreten?«, überlegte Sanna laut. »Oder in der Straßenbahn. Wir könnten langsam unseren Bekanntheitsgrad steigern. Ein intelligentes Kaninchen, eine intelligente Frau und ein Helfer, der als Bauarbeiter verkleidet ist – eine richtig schräge Combo.«
Hast du Kinder, Sanna Pommakka?
»Nein.«
Ich habe einen Sohn. Miklos.
»Es wäre nett, ihn mal zu sehen«, kam es aus Sannas Mund.
Ich würde ihn auch gern sehen.
Ich weiß aber nicht, wann das möglich sein wird. Ich weiß ja nicht mal, was der morgige Tag bringt.
Miklos ist mir nichts von seinem Leben schuldig, wenn ich nicht in der Lage bin, ihm etwas zu geben.
Eine Ausbildung. Eine Zukunft. Stollenschuhe.
»Wenn ich nur jemanden hätte, über den ich so denken könnte«, sagte Sanna in ihrer eigenen Sprache, sodass Vatanescu es nicht verstand.
Schläfst du schon?
Zauberfrau?
Sanna Pommakka betrachtete sich in der Spiegelung des Zugfensters, den Pyjama im Arm. Dieser Körper, dieses Privateigentum, war nicht gut genug und brachte keinen in Fahrt. Die Brüste trotzten nicht der Schwerkraft und bildeten auch keine gleichmäßigen Halbkreise, nach deren Anblick sich jeder Teenager in der Zugtoilette einschließen muss, um einem Papierhandtuch seine geheimen Wünsche anzuvertrauen. Am Bauch die Narbe einer Blinddarmoperation, die Oberschenkel so stämmig, dass sie den Körper aufrecht halten konnten. Mit dem Gemüt war das schon anders; wenn das schwankte, stürzte man früher oder später ins Bodenlose. Sanna Pommakka dachte an den nächsten Tag, an den eisigen Bahnhof von Helsinki, an die unbekannte Zukunft, an den Ostwind. Sich wieder allein durchschlagen, auf den Zauberermarkt drängen, sich messen lassen. Ein einziger Kampf, dieses Leben. Besuche auf dem Arbeitsamt, weitere Starthilfeanträge ausfüllen, Mehrwertsteuerabrechnungen.
»Ich möchte keinen einzigen Tag mehr allein sein.«
Die Kontrolleure befahlen dem Menschenhändler ohne
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