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Bettler und Hase. Roman

Bettler und Hase. Roman

Titel: Bettler und Hase. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuomas Kyrö
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sich für dreitausend alles leisten könnte! Ein schlechtes Auto, jede Menge gutes Essen, zwei Monate lang ein gesichertes Leben. Man würde vielleicht sogar mal irgendwo hinkommen. Wenigstens nach Forssa.
    Liegt Forssa in Italien?
    Es klingt nach einem schönen Ort. Ein Wort voller Kraft.
    Wenn ich nur auch nach Forssa käme. Irgendwann werde ich mal nach Forssa fahren.
    Sanna Pommakka musste lachen. Dieser Mann war arglos, vielleicht war er sogar ein guter Mensch, jedenfalls war es unkompliziert, ihm gegenüberzusitzen. Er lacht mich nicht aus, übergeht mich nicht und will mir auch nicht gleich an die Wäsche.
    Und so erzählte sie ihre Geschichte weiter. Sie war nach Kittilä geflogen, wo jemand sie abholen und zu dem besagten Einkaufszentrum bringen sollte, aber am Flughafen war niemand. Sanna rief sämtliche Telefonnummern an, die auf dem Vertrag standen, doch unter keiner gab es einen Anschluss. Ihr Geld reichte gerade noch für die Taxifahrt zur Baustelle des Einkaufszentrums. Dort kamen ihr schon vor dem Tor entlassene Arbeiter entgegen. Die ganze Baustelle wurde für immer und ewig geschlossen.
    »Man hat mich übers Ohr gehauen«, sagte Sanna.
    Vatanescu sah ihr in die Augen. Dann legte er seine Hand auf Sannas Hand und senkte den Blick. Der Zug bewegte sich bereits, Vatanescu nahm den gelben Schutzhelm ab und legte ihn auf den Tisch.
    Verzeihung
.
    »Es war doch nicht deine Schuld. Wer immer du auch bist. Natürlich nicht. Mein Leben ist halt so, schon immer gewesen, und es wird auch immer so bleiben. Ich sollte mir einfach keine Hoffnungen mehr machen, weil ich ja doch bloß enttäuscht werde.«
    Es war sie, und es war sie auch wieder nicht.
    Meine Schuld.
    Sanna Pommakka schluchzte auf und ließ zu, dass Vatanescu weiter ihre Hand hielt, obwohl er ein Fremder war und aus wärmeren Breiten kam. Der Helm zitterte neben dem Behälter mit Besteck, auf dem Overall des Mannes stand »Repa-Rent – alles, was man braucht«.
    Vatanescu bemerkte nun die Kiste mit den Metallrändern, die neben Sanna Pommakka stand.
    Bist du Musikerin?
    »Magierin.«

Jegor aß von der Mahlzeit, die Naseem Hasapatilati ihm gebracht hatte, nur den Reis und mäkelte. Er hatte längst vergessen, sich um seine persönliche Hygiene zu kümmern, Bart und Haare wuchsen, wie sie wollten, und inzwischen war Jegor sogar zu faul, die Silberfischchen, die aus dem Abfluss kamen, zu zerquetschen. Er war ein Mann, bei dem es immer vorwärtsgegangen war, der es den Schlappschwänzen überlassen hatte, die Vergangenheit zu analysieren – aber nun blickte er nicht einmal mehr nach vorn. Allerdings auch nicht zurück, nicht nach unten oder oben. Er blickte nach innen. Und er war bereit, so lange in dem Verschlag zu bleiben, bis er dahingesiecht war. Womöglich wäre das sogar passiert, wenn der Mietvertrag weitergelaufen wäre, aber dann ergab sich eine schnelle und nicht ganz unerwartete Veränderung.
    »Ich hörte, wie die Verschläge nebenan und das Klo durchsucht wurden. Die Leute, die da am Werk waren, redeten in der Sprache und dem Ton, den unsereiner auch draufhatte. Früher war ich selbst häufig bei solchen Hausdurchsuchungen und Rausschmissen beteiligt. Schließlich schauten sie auch in meinen Lagerraum, aber ich konnte mich rechtzeitig hinter ein paar Bananenkisten verstecken.
    Nach dem Ende der Öffnungszeit kam Nasse schweißgebadet zu mir und erzählte, sie hätten ihm die Kasse und das Zigarettenregal geleert und ihm mit langanhaltenden Schmerzen gedroht. Er war der Meinung, dass der richtige Moment gekommen war, um sich zu verabschieden. Zwar konnte er mich gut leiden, aber für seine Gliedmaßen und sein Leben hatte er verdammt viel mehr übrig. Die Organisation hatte ihm vierundzwanzig Stunden Zeit gegeben, zu verraten, wo ich stecke. Also schnappte ich mir den Laptop und ging, denn einer wie ich bettelt weder um Wärme noch um Gnade. Bedankt hab ich mich allerdings schon – zum ersten Mal in meinem Leben.«

    Der Akku des Toshiba hielt noch zwei Stunden und vierzehn Minuten. Jegor suchte sich in einem Café mit großen Fensterscheiben eine Stelle, wo man eine Verbindung zum drahtlosen Netz bekam, und ging auf die Adresse vatanescu.com. Das Foto auf der Startseite war schon wieder geändert worden. Nun sah man dort Pykström an der Seite von Vatanescu, beide mit einem breiten Grinsen im Gesicht und einer Schnapsflasche unterm Arm. Vor ihnen hüpfte das Kaninchen.
    »Ich war bloß noch ein Vagabunden-Jegor, der von Pennerweibern

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