Bettler und Hase. Roman
aus dem Hut heraus.
Es sprang wieder hinein.
Der Pappbecher füllte sich im Nu mit Münzen. Vatanescu reichte ihn dem Schaffner und holte an der Theke einen neuen. Nach jedem Bahnhof führten Sanna Pommakka und das Kaninchen Kunststücke vor, die so viel einbrachten, dass es bis zur nächsten Haltestelle reichte.
»Eigentlich gehört es sich ja nicht, im Speisewagen Haustiere zu halten«, sagte der Schaffner. »Aber das hier ist ja ein Werkzeug, das zum Arbeiten gebraucht wird. Da stört es nicht.«
Die Leute, die schon etwas getrunken hatten, zeigten sich freigebig, und es dauerte nicht lange, bis die ersten Fahrgäste Fünfeuroscheine in Vatanescus Becher stopften. Dann kam der erste Zehner, und er blieb nicht der einzige. Auch Zwanziger kamen hinzu. Ein Mann gab eine Schachtel Zigaretten, ein anderer eine Tafel Schokolade, ein dritter Essensgutscheine, und eine Person steuerte ein Taschenbuch bei, das ein gewisser Marko Tapio geschrieben hatte.
»Pause«, sagte Sanna. »Ich kann meine Hände kaum noch bewegen.«
Vatanescu bestellte für sich und Sanna Chili con Carne und für das Kaninchen Milch und Roggenbrot. Sanna war müde, Vatanescu eher irritiert über seine neue Rolle als Manager und Zaubergehilfe.
»Wir sind ein gutes Paar«, sagte Sanna Pommakka.
Ich hatte mal eine Frau.
Wir glaubten, wir wären ein gutes Paar. Ich glaubte es. Sie wollte immer was anderes als ich, sagte aber nicht, was. Ich hätte es erraten sollen.
Jetzt will ich Fußballschuhe für meinen Sohn.
»Du hast Achtung vor mir«, sagte Sanna.
Du bist gut im Zaubern und wirst für deine Arbeit bezahlt.
Du und das Kaninchen, ihr seid ein gutes Paar.
Vatanescu sortierte die Münzen. Dabei wurden zehn Becher voll. Für die Scheine brauchte er zwei.
Über dreihundert.
Ich bekomme die Stollenschuhe für meinen Sohn.
Vom Speisewagen gingen Vatanescu und Pommakka in den Wagen mit dem Kinderabteil. Dort sausten kleine Menschen eine Rutschbahn hinunter, bauten etwas mit Legosteinen, malten in Malbüchern, träumten und umarmten sich. Und wie damals, als Sanna Pommakka Couchgarnituren an Familien mit Kindern geliefert hatte, sorgte sie wieder für Rührung und Ärger zugleich. Nicht bei den Kindern, sondern bei deren Eltern. Alle Arten von emotional behinderten Amateuren des Lebens hatten Partner, ehemalig oder aktuell, und sie hatten zugelassen, dass eine Samenzelle eine Eizelle befruchtete, ohne es zu hinterfragen. Diese Menschen wussten gar nicht zu schätzen, was sie hatten, sie schauten nicht auf ihre Kindern, sondern blätterten gelangweilt in Frauenzeitschriften, schnauzten ihre Partner an, starrten aus dem Zugfenster und dachten an das Leben, das sie lieber gehabt hätten als das jetzige. So, wie Sanna Pommakka an ein anderes Leben dachte, während sie das Kaninchen aus dem Hut zauberte.
Sobald die Kinder die Magierin, den Repa-Rent-Mann mit dem gelben Helm und das Kaninchen bemerkten, war Beifall garantiert. Er war grenzenlos und die Show ausverkauft.
»Du kannst gut mit Kindern«, sagte Sanna zu Vatanescu.
Ja. Warum auch nicht. Nichts leichter als das.
Die Kinder versammelten sich um das Trio, was automatisch bedeutete, dass sich die Geldbörsen der Eltern öffneten. Man musste nur zugreifen. Manche Kinder setzten sich bei Vatanescu auf den Schoß und wollten seinen Helm aufprobieren oder das Werkzeug in die Hand nehmen, das noch an seinem Gürtel hing.
Ihr könnt alles behalten.
Ihr könnt es besser gebrauchen als ich.
Die Kinder wollten wissen, ob Vatanescu schon einmal Traktor Tom getroffen habe, was für Häuser er baue und ob er Wasserleitungen reparieren könne, ohne zu fluchen. Der Papa könne das nämlich nicht. Vatanescu verstand nicht, was die Kinder sagten, aber den Tonfall ihrer Wörter erfasste er und damit auch die Bedeutung. Zwischendurch summte er ein Stück, das er von seiner Oma Klara gelernt hatte, und die Kinder sangen in ihren eigenen Worten mit. Auch Sanna stimmte ein.
Im Laufe des Abends fiel Vatanescu auf, dass die Eltern der Kinder mit ihren Handys jede Menge Bilder von ihm und von dem Kaninchen machten. Zwei Reisende baten ihn sogar um ein Autogramm.
»Sind Sie es wirklich?«, fragten sie.
Für wen oder was halten die mich? Warum wollen die Bilder von mir?
»Ich weiß es nicht«, sagte Sanna und wusste es wirklich nicht. In der Zeit, in der Vatanescu zu einem Medienstar geworden war, hatte sie immer nur Zaubertricks geübt.
Ihr haltet mich für jemand anders.
Für jemand Wichtigen.
Das
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