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Bettler und Hase. Roman

Bettler und Hase. Roman

Titel: Bettler und Hase. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuomas Kyrö
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Fahrkarte, an der Haltestelle Sporthalle auszusteigen. Jegor gehorchte und ging zum Denkmal von Paavo Nurmi, betrachtete von dort aus den Turm neben dem Olympiastadion, die Menschen, die vorbeigingen, und diejenigen, die nach der nächtlichen Ausnüchterung mit schwankenden Schritten aus dem gegenüberliegenden Polizeirevier kamen. Der Computerbildschirm zeigte die Karte von Finnland und einen roten, blinkenden Punkt, der Vatanescus Standort markierte. Derzeit befand sich dieser Punkt auf der Höhe von Hämeenlinna. Auf den neuesten Fotos der Homepage, die Jegor angeklickt hatte, sah man eine Frau namens Sanna Pommakka ein Kaninchen aus dem Hut ziehen, den Vatanescu mit beiden Händen festhielt.
    »Unsereiner hat auch erfolgreich Häschen in ganz Europa verkauft – wo ist da der Unterschied? Das kann man sich ruhig mal durch den Kopf gehen lassen: Wie viele Männer macht ein Bunny aus Ungarn an einem zwölfstündigen Arbeitstag glücklich? Was so eine an Kohle bringt! Anstatt mit staatlicher Unterstützung, die es sowie nicht gibt, bei den Eltern zu hausen. Ganz zu schweigen von der Bedeutung der Prostitution für den Arbeitsmarkt und von den weichen Werten, die durch sie verbreitet werden. Leere Klöten bedeuten weniger Gewalt. Da gibt es nichts zu leugnen, das ist so.
    Die besten Schinken gibt es in Ungarn. Dort wird zwar eine Sprache gesprochen, die mit dem Finnischen verwandt ist, aber die Bräute stammen von einer ganz anderen genetischen Karte als die Flachsohlen-Hängebrüste-Finninnen. Lange Beine, kleine, aber runde Ärsche und ebensolche Titten. Da läuft dir das Wasser im Mund zusammen. Und die wissen, wie sie ihre Ärsche bewegen müssen, nicht ungefähr, sondern genau. Außerdem verderben die ungarischen Huren das Blasen nicht mit Gummis, was ein ziemlicher Trumpf ist in einem Land, wo sich die Leute nicht mal trauen, einander die Hand zu geben, wenn auch nur eine einzige Person die Vogelgrippe hat. In der Schweiz. Vor achtzehn Monaten. Desinfiziere deine Hände fein, sonst nistet sich die Krankheit ein.
    Und wie ich mir das alles so durch den Kopf gehen ließ, merkte ich, dass mein alter Unsereiner wieder zurückkam. Ich war spitz. Ich hatte Lust, zu bumsen. Es gab wieder was, was ich wollte. Kohle, Frauen und Respekt. All das, was man mir weggenommen hatte.
    Unsereiner ist kein Opfer.
    Unsereiner macht welche.
    Unsereiner wird zum Mythos!«
    Vatanescus roter Punkt blinkte gerade auf der Höhe von Kerava, als der Akku in Jegors Laptop leer war. Aus dem Polizeirevier kam ein gutgelaunter Herr, der noch immer stabile Schlagseite hatte. Ihm überreichte Jegor kurzerhand den Computer. Dann warf er eine Münze, um zu entscheiden, ob der Bettler in Helsinki am Bahnhof Pasila oder am Hauptbahnhof aussteigen würde.

Mensch
, was tust du da?
    Sanna.
    Hast du vor, unter meine Decke zu kommen?
    Pommakka.
    Das geht nicht.
    Du kommst trotzdem.
    Warum auch nicht? Was stelle ich mich denn so an? Ich bin kein Heiliger, ich bin ein Mensch.
    Ich bin Vatanescu.
    Ja, auch ich bin einsam.
    Natürlich geht es.
    Komm nur.
    Du bist …
    … sehr …
    … warm.

Das Kaninchen kam unter der Decke hervor und sprang auf Vatanescus Brust, um sich kraulen zu lassen. Neben ihm schnarchte Sanna Pommakka, und unser Held schämte sich überhaupt nicht, denn es war besser, zusammen zu sein als allein. Zu dritt war es am allerbesten. Die wenigsten rumänischen Bettler konnten von sich behaupten, schon mal auf diese Weise in einem finnischen Nachtzug mit einer Zauberfrau zusammen gewesen zu sein.
    Auf dem Gang hörte man Schritte und Durchsagen, in Tampere gab es einen längeren Halt. Es wurden Autos abgeladen, müde Menschen gingen auf dem Bahnhof auf und ab, Leute, die man aus dem Schlaf gerissen hatte, damit sie sich ins Arbeitsleben begaben, und mitten unter ihnen ein lebhaftes Kind, für das Tages- und Nachtzeiten unbekannt und ohne Bedeutung waren. Es war immer die richtige Zeit, herumzuspringen, und nie zu spät, um zu weinen oder zu lachen.
    Leerer Kopf.
    Klarer Kopf.
    Ich weiß, was ich tue.
    Was ich tun muss.
    Mich rasieren, den Overall anziehen, als Mensch wie jeder andere in ein Sportgeschäft gehen.
    Stollenschuhe aussuchen.
    Die Stollenschuhe kaufen, mit dem Geld, das mir das Kaninchen aus dem Hut gezaubert hat.
    Die Stollenschuhe einpacken.
    Die Stollenschuhe bei der Post aufgeben.
    Mir ein Telefon beschaffen.
    Zu Hause anrufen.
    Das Leben ist eine Chance.
    Jetzt erscheint es mir auf einmal so.
    Ich werde es

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