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Bettler und Hase. Roman

Bettler und Hase. Roman

Titel: Bettler und Hase. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuomas Kyrö
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Geisteskrankheit deuten.
    »Mit wenigen Worten kann man die Welt verändern. Man muss nur wissen, mit welchen.«
    Diese Maxime von Heikki Hamutta vergaß Pahvi nie.

    Die Partei der Gewöhnlichen Menschen legte beim dritten Anlauf einen sogenannten Tsunami-Sieg hin. Mit diesem Ausdruck wollten die politischen Journalisten illustrieren, dass die Welle tief ins Binnenland hineinreichte und alles umwarf, aber auch krachend zurückschlagen und einige Leute, die es geschafft hatten, Parlamentsabgeordnete zu werden, irgendwann wieder zu Sägewerkern, Postlern, Sozialhilfeempfängern, Papiermachern, Studenten, Grenzschützern, Polizisten und Kassiererinnen in ihrer Heimatgegend machen konnte.
    Dieses Risiko war der Partei bewusst, und darum wollte die von der ehemaligen Weltmeisterin im Armdrücken, Pike Salomaa, angeführte Fraktion auch, dass sich die Partei der Gewöhnlichen Menschen ihre nächste Wahlkampagne von einer externen Werbeagentur konzipieren ließ.
    Simo Pahvi sagte in der Öffentlichkeit oft, er höre stets auf Leute, die klüger seien als er. Pike Salomaa gehörte jedoch nicht zu diesen Leuten. Nein, auch wenn sie noch so viele Stimmen von Frauen und Armdrückern in der Provinz Varsinais-Suomi geholt hatte. Genau genommen gab es überhaupt niemanden, der Pahvis Meinung nach klüger war als er. Nur Chauffeur Esko Sirpale und Jeesus schafften es auf sein Niveau.
    Pahvi wusste allerdings, dass ein Anführer nicht übermächtig und unersetzlich werden durfte. Reißt man alle Macht an sich, findet man die Feinde bald in der eigenen Küche.
    Der Grund für Simo Pahvis Erfolg war Simo Pahvi. Der Grund für Simo Pahvis Probleme war ebenfalls Simo Pahvi.
    Simo Pahvi holte sich noch eine Tasse Kaffee an der Theke der Tankstellen-Cafeteria.

Simo Pahvi biss von seinem Donut ab, dem fünften an diesem Tag, und trank einen Schluck Kaffee. Zu Esko Sirpale sagte er, es sei weit und breit keine Persönlichkeit in Sicht, die aus der Mitte des Volkes komme und fähig sei, vor das Volk hinzutreten. Dann zog er eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche. Esko Sirpale brachte eine der gleichen Marke zum Vorschein. Sie warfen die Zigaretten in den Müll und falteten die Pappschachteln auseinander. Die Zigarettenschachtel diente Simo Pahvi nämlich als Laptop und Zeichentisch. Auf so einer Schachtel hatte er sein Sommerhaus, seine Karriere, seine Hochzeit, sein Wahlkampfbudget und seine EU -Politik skizziert. Bei allem galt das gleiche Prinzip: Man brauchte ein wasserdichtes Fundament, darauf eine tragfähige Konstruktion und im Oberstübchen eine gute Belüftung. Das Dach wurde mit Blech gedeckt, nicht mit Alufolie.
    »Was skizzieren wir?«, fragte Esko Sirpale.
    »Die Strategie.«
    »Ohne Werbeagentur?«, fragte Sirpale nach. »Wir machen es selbst?«
    »Rückenschmerzen kriegt man nicht vom Machen, sondern vom Buckeln.«
    Dann rührte Pahvi, ohne etwas zu sagen, in der Kaffeetasse.
    »Gibt es ein Problem?«, fragte Sirpale.
    »Ein riesiges«, seufzte Simo Pahvi. »Das Problem, dass ich alles erreicht habe.«
    »So ist es. Daumen hoch und Glückwunsch.«
    »Sogar als Ministerpräsident haben sie mich angeheuert«, sagte Pahvi. »Ich habe mit allem Erfolg gehabt.«
    Sein Blick schweifte über den Zaun der gegenüberliegenden Sportanlage und dann über eine Frau im Overall, die einen Ford Transit betankte.
    »Eben«, sagte Esko Sirpale. »Mensch, verdammt. Deswegen lässt man doch nicht den Kopf hängen.«
    »Ich bin leer.«

    Mit dem Fahrrad brauchte Jeesus Mähönen nur drei Minuten von seiner Wohnung im Stadtteil Alppila zur Tankstelle am Tiergarten. Er trank keinen Kaffee, sondern bat lediglich um eine Tasse heißes Wasser.
    »Dann erzähl mal«, sagte Jeesus.
    »Ich bin ein altmodischer Mensch. Ich staubsauge nicht, ich zähle keine Kalorien. Ich bin für Verantwortung, nicht für Freiheit.«
    Jeesus und Esko Sirpale nickten und baten Simo, fortzufahren.
    »Und nun habe ich das Vertrauen verloren. In die Zukunft.«
    »Ist etwas vorgefallen?«
    »Nein. Ich werde die Präsidentschaftswahlen gewinnen.«
    Jeesus und Esko Sirpale nickten.
    »Aber wenn ich in die Präsidentenvilla ziehe, muss ein anderer an die Schalthebel. Bloß wer, verflucht?«
    Sie schwiegen. Die alte Irma hinter ihnen hatte am Einarmigen drei Wassermelonen und gewann hundert Euro.
    »Die Partei der Gewöhnlichen Menschen, das bin ich«, sagte Pahvi. »Aber heute Morgen auf dem Klo ist mir klargeworden, dass ein gewöhnlicher Mensch nicht die Gewöhnlichen

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