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Bettler und Hase. Roman

Bettler und Hase. Roman

Titel: Bettler und Hase. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuomas Kyrö
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Menschen führen kann. Ich hatte geglaubt, das geht, aber es geht nicht. Der gewöhnliche Mensch will Macht, aber keine Verantwortung.«
    »Gut, dass dir das klargeworden ist«, sagte Sirpale. »Hamutta ging es nicht anders.«
    »Die Menschen sind so«, sagte Pahvi. »Aber wenn man einem die Macht gibt, der nach Macht giert, entfernen wir uns weit von der Ausgangsidee der Partei der Gewöhnlichen Menschen. Mein Nachfolger muss nicht bloß gewählt werden, sondern auch auserwählt sein.«
    Simo Pahvi trank seinen Kaffee aus und dachte nach. Dann holte er sich noch eine Tasse und leerte sie ebenfalls, dachte weiter nach, musterte seine Vertrauten und horchte in sich hinein.
    »Ich habe noch nie bei etwas gezögert. Jetzt tue ich es, weil ich mein Lebenswerk nicht gefährden will.«
    »Aber Präsident willst du werden?«
    »Wenn ich es nicht mache, werde ich es mein ganzes Leben bereuen. Aber für die Parteiführung brauchen wir einen guten Mann. Er darf uns nicht enttäuschen. Nicht im betrunkenen Zustand mit dem Jagdgewehr rumballern. Nicht in die eigene Tasche wirtschaften. Kein dummes Zeug im Fernsehen von sich geben. Er darf nicht direkt sagen, was er von Negern, Schwulen und Abtreibung hält. Er darf sich nicht für die Todesstrafe starkmachen, bevor die Zeit reif dafür ist. Aber er muss in der Lage sein, was über die da oben und die Besserverdienenden und die Abwasserneuregelung und die EU zu sagen. Er muss neu und schlau sein. Und trotzdem volkstümlich. Er muss das Volk kennen. Er muss wissen, wo die Musik spielt. Und nicht seinem eigenen Erfolg hinterherlaufen.«
    Simo Pahvi legte eine lange Pause ein. Auch Jeesus Mahönen schwieg. Esko Sirpale pfiff vor sich hin und legte die Hände in den Nacken.
    »Merkt ihr’s?«, sagte Pahvi. »So einen gibt es nicht.«
    »Es gibt immer einen«, meinte Sirpale. »Wenn uns die Geschichte etwas lehrt, dann, dass es keinen Posten gibt, der nicht irgendwann besetzt wird.«
    Jeesus Mähönen nickte.
    »Zeig ihn mir«, bat Pahvi. »Sag mir, wo ich so einen Mann finde.«
    Und Jeesus sagte es ihm.

Auf der Intensivstation im siebten Stock des Krankenhauses Helsinki-Meilahti, in einem Zimmer mit Sonderbewachung, kam alles zum Stillstand.
    Ich spüre die Nähte an meinem Bauch.
    Ich bin voller Löcher.
    War’s das mit diesem merkwürdigen Leben?
    Ich kann Tag und Nacht nicht unterscheiden, werde mit einem Schlauch gefüttert.
    Die Polizisten schoben drei Schichten, ständig passte einer auf.
    Auf mich?
    Beschützen sie mich?
    Vor wem?
    Es war Jegor.
    Haben sie Jegor erwischt?
    Durch die Medikamente habe ich merkwürdige Träume.
    Da ist Harri Pykström im Wald bei seinen Pilzen, und Arto, der Schriftsteller, ist bei ihm.
    Sie winken mir vom anderen Flussufer aus zu.
    Ich gehe zu ihnen. Zu Quad, Boot, Flasche und in die Sauna; ich flöße mit ihnen Baumstämme, baue Fabriken, schleudere Blitze, schlage einem Menschensohn brüderlich auf den Rücken. Ich mache Männerarbeit. Was Richtiges.
    Ein Mann.
    Bin ich ein Mann?
    Ist es das, was ich bin?

    Was soll das für ein Mann sein, der seinem Sohn nicht einmal Stollenschuhe besorgen kann?

Als Vatanescu wieder sprechen konnte, fragte er als Erstes nach seinem Kaninchen. Niemand besaß sichere Informationen darüber, aber ein Polizist argwöhnte, es könnte als Tigerfutter im Zoo gelandet sein. Er versprach, es herauszufinden.
    Wenn das Kaninchen stirbt, sterbe ich auch.
    Wenn ich abgeschoben werde, wird man mich töten.
    Die Medikamente hielten zwar Vatanescus Schmerzen im Zaum, aber sie wirkten sich auch auf sein Gemüt aus, das schwankte und Wellen schlug; sein Gefühl für Zeit und Raum verschwamm, er sah Bälle oder graue grafische Elemente vor den Augen. Irgendwann erkundigte er sich, ob Sanna Pommakka sich gemeldet habe, doch der Name war Personal und Polizei vollkommen fremd.
    Hat es sie überhaupt jemals gegeben?
    Und gibt es mich?
    Jeden Tag prüfte der Arzt, ob Vatanescu schon vernommen werden konnte, ob im Wiederherstellungsprozess ein Schritt nach vorn möglich war.
    Dann kam der erste Tag, an dem Vatanescu im hochgeklappten Krankenbett allein essen konnte, Bouillon und Buttermilch.
    »Du hast beim Arbeiten nicht gerade mit der Steuerkarte gewedelt. Du hast ein wildes Tier in Speiselokale, ins Arbeitsamt und ins Krankenhaus mitgenommen. Du hast ohne Amüsiergenehmigung im Zug Zauberei betrieben. Du hast an einer unangemeldeten Demonstration teilgenommen …«
    Als Strafe würde man Vatanescu mehrere Tagessätze

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