Bettler und Hase. Roman
Nachrichten und Qualitätsfußball sehen konnte.
Irgendwann traten ein Mann und eine Frau an Vatanescus Bett, ein Beamter der Zentralkripo und eine Ausländerbeauftragte. Sie hatten ein Dokument dabei, auf dem stand, dass Vatanescu in sein Heimatland abgeschoben werde.
Aber ihr habt mir doch versprochen … dieser Mann … der mich nach Kugar ausgefragt hat.
»Ich weiß nichts von den Versprechungen anderer Leute.«
Er hat mir meine Schwester versprochen.
Meine Mutter.
Das Kaninchen.
Der Beamte empfahl Vatanescu, zufrieden zu sein, dass er so billig davonkomme. Immerhin läge eine stattliche Liste mit Anklagepunkten gegen ihn vor.
Ich bin in alles bloß reingezogen worden …
Es gibt viel größere Verbrecher auf der Welt.
Die Ausländerbeauftragte versuchte ihn mit dem Gedanken an die Heimkehr zu trösten.
Du, Mensch, hast ein Zuhause. Ich weiß nicht einmal, ob mein Heimatdorf noch existiert.
Man ließ Vatanescu einen Stoß Papiere unterschreiben, deren Inhalt er nicht kannte und den zu erläutern sich auch niemand Mühe gab. Am nächsten Morgen nach der Visite werde er ausreisen. Er könne wählen zwischen einem Linienflug mit Begleiter und einem alten Lieferwagen, den er selbst bis in die Heimat lenken müsse. In dem Fall würde man ihm Kilometergeld und Spesen zahlen, wie sie im finnischen Staat üblich seien. In Rumänien würde er davon gut und gern zwei Monate leben können.
Anschließend verabschiedeten sich der Mann und die Frau per Handschlag von Vatanescu und nickten dabei demonstrativ mitleidig, was wohl zum Ausdruck bringen sollte, tja, wenn es nach ihnen ginge … aber Gesetz und System verlangen nun mal …
»Seht zu, dass ihr euer Land in Ordnung bringt, dann kommen wir als Touristen zu euch«, sagte die Frau.
»Zu Sowjetzeiten war ich oft in Bulgarien«, sagte der Mann. »Also dann, gute Nacht, Vatanescu. Darf ich noch ein Foto machen? Mein Kind wollte unbedingt eins, als es hörte, dass ich herkomme …«
Meine ganze verrückte Tour war sinnlos …
»Und vielleicht noch ein Autogramm. Schreib einfach: für Väppi.«
Seitdem ich geredet habe, bin ich wertlos.
Das Leben ist ein Geschäft.
Jegor war meine einzige Währung.
Sie haben mir die Zukunft geraubt.
Ich will die Stollenschuhe.
Vatanescu hörte, wie man seine Tür für die Nacht abschloss. Er kippte den kleinen Becher mit den Medikamenten, trank einen Schluck Wasser hinterher und legte sich hin. Innerhalb einer halben Stunde wirkte die Medizin, und die Schmerzen im Bauch verschwanden, während die ganze Wirklichkeit in nebliges Grau überging.
Sechs Stunden später wurde Vatanescu von einem lauten Schmatzen wach, weil jemand seinen letzten demokratischen Morgenbrei aß. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen und setzte sich auf. Die Sonne schien durch das kleine Fenster auf eine Thermosflasche mit Kaffee. Und wie es schien, gab es an diesem Morgen sogar Aufschnitt zum Frühstück.
»Gutt morning! Gutt morgon! Guten Morgen!!«
Der Abschieber?
»Nee, der Pahvi!«
Bringst du mich ins Flugzeug und in die Heimat?
»Der Pahvi Simo! Simo Pahvi! Hier meine Hand!«
Schlaff.
Schweißig.
Jetzt drückt er zu. Fest. Guckt er mir in die Augen?
Ja.
In der Innentasche von Simo Pahvis Jacke bewegte sich etwas. Er schnalzte und öffnete das Sakko, da hüpfte ihm das Kaninchen aufs Knie und von dort auf den Fußboden. Es strich einen Moment auf dem PVC herum, dann sprang es Vatanescu auf den Schoß.
Mein Freund.
Müde Tränen rannen Vatanescu aus den Augen.
Ich habe schon geglaubt …
… man hat mir gesagt …
… du wärst Tigerfutter geworden.
»Reines Missverständnis, Missanderständing!«, sagte Simo Pahvi. »Mir hat man gesagt, du wärst ins Polizeigefängnis verlegt worden, dabei bist du hier im Hospital!«
Wir sind also beide nicht tot.
Vatanescu nahm den Kopf des Kaninchens in beide Hände und schaute ihm in die Augen. Es schmatzte und sah Vatanescu mit einem Vertrauen an, wie es nur ein Kind seinem Vater entgegenbringt. Oder sah Vatanescu auf diese Weise das Kaninchen an? Wie auch immer, nun waren sie auf jeden Fall wieder vereint und bereit, sich den nächsten unfassbaren Ereignissen zu stellen.
Simo Pahvi wischte sich die Hand an der Hose ab und stocherte mit einem Streichholz nach einem Stück Getreidehülse zwischen den Zähnen.
»Du ju nou hu ei äm?«
Keinen Schimmer.
Simo Pahvi erklärte, er sei der Stammeshäuptling dieses Landes. Der König. Il capo di tutti capi. Er habe viel mehr Macht und
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