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Bettler und Hase. Roman

Bettler und Hase. Roman

Titel: Bettler und Hase. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuomas Kyrö
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Kraft, als Jegor je besessen habe. Jegors Wirkungsraum sei winzig klein und nur gepachtet, ihm, Simo Pahvi, aber gehöre für vier Jahre das ganze Land, komplett, von See zu See, vom Plattenbau bis zur Westendvilla in Espoo.
    Ich habe schon alles über ihn erzählt.
    »Über Jegor Kugar? Der interessiert mich nicht. Darum soll sich die Polizei kümmern.«
    Was ist mit meiner Schwester? Es war die Rede von meiner Schwester.
    »Alles im Lot. Die Nachricht hier hab ich von ihr gekriegt.«
    Neben Simo Pahvis Füßen lag eine Plastiktüte der Ladenkette Siwa. Sie enthielt eine VHS -Kassette. Zum Glück hinkte die aufzeichnungstechnische Ausstattung des Krankenhauses der Entwicklung zehn Jahre hinterher, weshalb ein Videorekorder vorhanden war. Pahvi brauchte zwar eine Weile, bis er wusste, wie man die Kassette einlegen musste, aber dann lief das Band.
    Meine Schwester!
    Bloß mit anderer Haarfarbe als bei der Abreise.
    Auf einem Flughafen mit deutschen Schildern.
    Sie sagt, sie fliegt jetzt, so weit sie kann, von Mittel- und Osteuropa weg.
    Sie dankt mir.
    Will aber nicht zu mir kommen, will nicht in das Land im Norden. Hat alles, was sie mit ihrem Körper verdient hat, gespart. Viel ist es nicht, weil fünfundsiebzig Prozent an die Organisation gegangen sind. Aber immerhin etwas. Es war ein schmutziges Geschäft, darum will sie sich für ihr Geld nun etwas gönnen. Das ist sie ihrem Körper schuldig.
    Sie will ein Fitnessstudio aufmachen.
    Sie will keine Familie gründen.
    Sie will ein Sparkonto eröffnen.
    Sie will nicht den Rauschmitteln verfallen.
    Sie hofft, dass bei mir alles gut ist. Hofft, dass ich sie besuche. Hofft, dass ich klargekommen bin, obwohl sie nicht auf mich aufpassen konnte.
    Dann endete die Aufnahme, es folgte Rauschen, bis man ein Jahre zuvor aufgezeichnetes Bandy-Match sah und Simo Pahvi mit der Fernbedienung den Fernseher ausschaltete. Vatanescu drückte das Kaninchen an seine Brust. All das zu schlucken war so, als würde er Schrauben und Krapfen gleichzeitig essen.
    »In der Hinsicht ist also alles okay«, sagte Pahvi und öffnete den Tetrapack Milch, der ebenfalls zu Vatanescus Frühstück gehörte. »Aber was mich interessiert, das bist du!«
    Ich?
    Für wen hältst du mich? Was ist eigentlich mit euch allen los?
    »Du bist kein Krimineller, Vatanescu!«
    Das bin ich nie gewesen.
    »Weder in meinen Augen, noch in den Augen des Volkes!«
    Ich war Bettler. Und Anzugmann. Und Betonarbeiter.
    »Du bist die höchste Form des Daseins, Vatanescu!«
    Magier?
    »Promi!«

Vatanescu saß auf der Rückbank eines Mercedes, der ihm fremd war, den das ganze finnische Volk aber als Millionen-Mercedes kannte. Er war in dem Jahr als Neuwagen angeschafft worden, in dem die Partei der Finnischen Kleinbauern die Fünfzehn-Prozent-Marke überschritten hatte. Anschließend hatte der Benz den Aufstieg, den Fall und den Untergang der Partei miterlebt, aber auch den erneuten Aufstieg als Partei der Gewöhnlichen Menschen und deren jetziges Aufblühen, all das, was auch sein Chauffeur Esko Sirpale mit eigenen Augen gesehen hatte. »Millionen-Mercedes« hieß der Wagen, weil damit entsprechend viele Kilometer gefahren worden waren. In seinem Fond waren Wahlkampagnen entwickelt, Niederlagen einer gewissen Bandy-Mannschaft betrauert und die Wachstumsschmerzen von Kindern verarbeitet worden. Simo Pahvi bezeichnete das Gefährt als sein Büro.
    Der Millionen-Mercedes passte perfekt zu Simo Pahvis Stil, weil er in Reichweite des Volkes war, denn für dieses Baujahr lag der Durchschnittspreis bei tausend Euro; wenn man ein bisschen handelte, bekam man ihn für sechshundertfünfzig. Für einen Audi A 8 , mit dem Minister normalerweise fuhren, müsste ein Normalbürger hingegen eine Firma verkaufen, im Lotto gewinnen oder eine Bank ausrauben. Einen Millionen-Mercedes konnte man sich vom Lohn absparen.
    »Am Blech blüht der Rost«, sagte Simo Pahvi zu Vatanescu. »Das Blühen ist ein Symbol des Lebens. Die hohen Herren schützen ihre Bleche, aber ein Auto will gefahren werden!«
    Kalter Rauch hatte sich im Mercedes festgesetzt und überlagerte alle anderen Gerüche. Vatanescu fühlte sich geradezu heimisch in dem Wagen, denn in solchen Autos hatte er sämtliche Fahrten seines Lebens zurückgelegt, wenn man ihn einmal mitgenommen hatte. Der Millionen-Mercedes fraß inzwischen auf hundert Kilometer so viel Öl wie Benzin, aber das war für Pahvi kein Problem.
    »Mit schmutzigen Händen ist dieses Land aufgebaut worden!«, sagte

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