Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bettler und Hase. Roman

Bettler und Hase. Roman

Titel: Bettler und Hase. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuomas Kyrö
Vom Netzwerk:
zugleich alle anderen Parteien überflüssig gemacht.
    »Alles zirkuliert«, schlug Pahvi als Überschrift für die Fernsehrede an diesem Abend vor.
    Das Gute zirkuliert.
    »Zu süßlich«, sagte Esko Sirpale. »Man denkt gleich an Gutmenschpromis. Bisschen mehr Ecken und Kanten!«
    »Wir brauchen noch ein Zusatzwort«, sagte Jeesus Mähönen, »das reicht. Man muss nur wissen, welches.«
    »Der Ball«, sagte Miklos, der aus dem Fenster schaute und gerade das Olympiastadion sah. »Haben wir den Ball dabei?«
    Ein guter Ball zirkuliert.
    »Scheibenkleister, Vatanescu, das ist es!«, rief Pahvi aus und schrieb den Satz auf die Zigarettenschachtel. »Mit dem spielst du während der gesamten Legislaturperiode! Wir haben einen guten Ball zum Zirkulieren gebracht! Wir halten den Ball im Spiel!«
    Der Mensch ist ein Ball.
    Manchmal leer, aber man kann ihn aufpumpen.
    »Genau so. Mehr davon!«
    Der Ball trifft die Wand, aber springt er auch zurück? Der Ball ist immer schneller als der Mensch.
    »Vor allem so!«
    Was bedeutet das?
    »Mach dir darüber keine Gedanken, Vatanescu! Das Volk füllt die Lücken und macht die Kreuzchen.«
    Vatanescu nickte.
    »Nimm dein eigenes Leben als Beispiel! Bei allem. Wenn man dich nach der Lösung des Bettlerproblems fragt, sagst du, wie es bei dir gewesen ist.«
    Ich wollte Schuhe.
    Und bekam einen Ball dazu.
    »Und vergiss nie, wer du bist!«
    Vatanescu?
    »Du bist die Zukunft! Du bist ich! Vergiss nicht, was du wert bist!«
    Was denn?
    »Besoldungsstufe 1 A, Tauglichkeitswert 1 A, Unersetzlichkeitsgrad 1 A!«

    Mit siebzig Sachen glitt der Millionen-Mercedes über die A 3 , schneller traute sich Esko Sirpale nicht zu fahren. Aber langsames Vorwärtskommen wirkt ja auch überzeugender, ehrwürdiger und altmodischer als Bleifußraserei. Miklos Vatanescu kraulte das Kaninchen und blickte immer wieder auf seine Stollenschuhe. Pahvi wühlte einen Schlips aus der Siwa-Tüte und legte ihn Vatanescu um den Hals.
    »Leck mich! Der steht dir noch schlechter als mir. Wir könnten genauso gut im Trainingsanzug rumlaufen.«
    Oder im Eisangler-Overall.
    »Ich bin der Präsident. Und du bist von heute Abend an der Ministerpräsident. Frühere Präsidenten hatten ihre Leitlinien – die Paasikivi-Linie, die Kekkonen-Linie –, warum sollten wir zwei beiden nicht die Trainingsanzug-Linie wählen?!«
    Da klingelte Vatanescus Handy. Er wusste nicht, wie man damit umging, weshalb er es seinem Sohn gab. Miklos drückte auf den grünen Hörer, horchte einen Moment und sagte dann zu seinem Vater:
    »Eine Sanna.«

Miklos
war bei der Geburt in den Händen seiner Großmutter gelandet.
    Anneli landete in den Händen der Hebamme, die gerade Dienst hatte. Genau neun Monate nach unserer Zugfahrt.
    Ich schnitt die Nabelschnur durch.
    Mein kleines Mädchen, merkwürdigstes und fremdartigstes Würmchen auf der ganzen Welt, voller Forderungen und schlechter Laune. Trotzdem gleich ganz vertraut und unmissverständlich.
    Von Anfang an bekommt sie alles.

    Eine Geburt an sich ist kein Wunder. Sie ist seit Anbeginn der Zeiten gleich und bleibt es bis zum Ende aller Zeiten, bis zum letzten Menschen. Notwendigkeit und Sinn des Lebens.
    Das eigentliche Wunder beim Geburtsvorgang bestand darin, wie sehr man sich um Sanna und das Neugeborene kümmerte, darum, dass alle am Leben blieben. Dass die Instrumente die richtigen Werte anzeigten und das Blutbild stimmte. Dass es mit dem Atmen klappte, dass die Nahrung schmeckte und das Gewicht des Säuglings zunahm. Dass sich das Leben fortsetzte, dass eine Steuerzahlerin entstand.
    Ich habe jetzt einen Sohn und eine Tochter, und beide haben alle nötigen Impfungen und Spielsachen und Strampelanzüge und Stollenschuhe. Ich habe ein Haus, ein Darlehen und ein Familienauto. Ich habe viel mehr und viel komischere Sachen, als ich mir je erhofft hatte. Man erhofft sich ja nichts, was man nicht kennt.

Dies ist nicht der Schlusspunkt, denn nichts in diesem Leben endet, außer dem Leben. Und auch das setzt sich nach dem Zerfall noch fort in Form von schönen Blüten oder unerträglichem Unkraut, das der Mensch dann mit Rasenmähern und gelben Handschuhen in den Griff zu kriegen versucht. Aber der kleine Mensch kann die Natur gar nicht beherrschen, denn er ist ein Teil von ihr, und wenn der Abstand groß genug ist, sieht jeder wie eine schöne Blüte oder wie unzumutbares Unkraut aus.
    Was aber ist in alldem und nach alldem die Rolle des Tieres, des Kaninchens? Hat es einen Platz, einen Anteil,

Weitere Kostenlose Bücher