Bettler und Hase. Roman
zitterten.
Wir sind gemeinsam unterwegs gewesen.
Aber mein Zuhause kann nicht dein Zuhause sein.
Sirpale hielt am Briefkasten an, in dem ein Brief auf Vatanescu wartete.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
Du erinnerst Dich nicht an mich, aber ich heiße Pentti Körmylä. Wir haben auf der Schwedenfähre am selben Tisch gegessen. Du hast uns angeguckt, und ich hab mich gefragt: Was für ein Schwarzer hat sich da jetzt an unseren Tisch gesetzt? Als Du im Fernsehen und im Radio aufgetaucht bist, hab ich mich gleich wieder an Dich erinnert. Mir ist aufgefallen, dass Du Dir genau überlegst, wann Du was sagst. So ist es richtig. Aber dass Du auch noch weißt, wie man die wenigen Worte richtig wählt, so was ist selten. In einem Frauenblatt hab ich mit meiner Frau gelesen, Du wärst ursprünglich gekommen, weil Du Stollenschuhe für Deinen Sohn wolltest. Wir hätten ein Paar übrig.
Hier ist Ulla Körmylä, guten Abend, Herr Ministerpräsident. Es ist mir ein bisschen peinlich, mich in so einer Angelegenheit an Sie zu wenden, aber Pentti und ich haben uns gedacht, einmal im Leben darf man sich hinreißen lassen. Es geht darum, dass wir im Jahr 1956 ein Kind bekommen sollten. Wir hatten uns sogar schon einen Namen überlegt: Orvokki.
Martti.
Ach, Pentti redet wieder dummes Zeug. Orvokki sollte es heißen. Dazu kam es aber nie, und ich will Sie nicht weiter mit Einzelheiten belasten. Sie treten zwar für allgemeine Belange ein, aber Sie können sich nicht um den privaten und uralten Kummer von jedem alten Ehepaar kümmern. Trotzdem tun die Einzelheiten weh und wecken viele Erinnerungen, die man eigentlich für immer vergessen sollte, weil die wichtigste Richtung im Leben der nächste Tag ist. Pentti glaubt nicht an die Vorsehung. Und ich habe ihn von Anfang an in seinem falschen Glauben gelassen, weil jemand, der viel klüger ist als wir, entschieden hat, dass wir unser Leben zu zweit verbringen sollen. Da ist nicht nach Penttis Meinung gefragt worden und nach meiner auch nicht. Aber das geht jetzt schon am Thema vorbei. Wenn sie Ihnen gut genug sind, bekommen Sie die Fußballschuhe. Jetzt greift Pentti wieder nach dem Stift.
Echtes Leder. Genau die gleichen, wie sie damals Aulis Rytkönen angehabt hat.
Sie können die Schuhe bei uns abholen. Die Adresse lautet: Umpimetsäntie 597 . Ich würde sie auf die Post bringen, aber wir haben im Dorf keine mehr. Darauf könnten Sie vielleicht einwirken, dass wir die Post zurückbekommen und den Laden ebenfalls. Unser Grundstück erkennen Sie an der großen Eiche. Die wurde 1956 als Schössling gepflanzt und heißt Orvokki.
Martti.
Das Haus erkennt man auch daran, dass Licht brennt. Aus den anderen Häusern sind die Leute ausgezogen. Wenn ich mich recht erinnere, sind die Hillanens aus der Nachbarschaft in dem Sommer weggezogen, als es so furchtbar viele Schnaken gab.
Viele Grüße
Ulla und Pentti
PS : Der Schlüssel liegt unter dem Blumentopf – falls wir nicht da sind. Koch Dir einen Kaffee, der ist in der Dose, wo »Elanto« draufsteht. Aber wo soll ich schon hingehen, ich kann wegen den Knien nicht die Treppe runter und Ulla nicht die Treppe rauf.
Diesen Brief hatte Vatanescu bei sich, als er an einem Tag im August die Landwirtschaftsausstellung in Lahti eröffnete. Er aß mit seinem Sohn eine Bratwurst, trank Kaffee aus der Papptasse und lauschte auf die Stimme des Volkes. Die war reichlich vorhanden und in Lautstärke und Inhalt variabel. Vatanescu hatte gelernt, die Papptasse so zu halten, dass er sich die Finger nicht verbrannte, und er schreckte auch nicht mehr vor der Ketchup-Senf-Mischung im Wurstpapier zurück. Laut Simo Pahvi war es wichtig, bestimmte Gesten, Haltungen und ein überzeugendes Lachen zu beherrschen. Auch wenn man nur so tut, muss es zutiefst echt und wahrhaftig wirken. Am wichtigsten war es für Vatanescu gewesen, sich die Sprache anzueignen. Das hatte die letzte Distanz zu den Ureinwohnern aufgehoben. Nach einigen Monaten Intensiv- und Hypnosekurs sprach und verstand er bereits verblüffend gut Finnisch.
Er knüllte den schlaffen Becher zusammen, sog das Füllsel aus der Wurst und aß auch die Pelle. Er begrüßte die Vertreter der Interessengruppen per Handschlag und ließ sich zusammen mit Miklos fotografieren. Auf die Bitte der Aussteller hin sahen sie sich noch einen Zuchtstier aus Lieksa und einen fahrbaren Rasenmäher aus Minnesota an; schließlich schenkte der örtliche Fußballverein Miklos ein Trikot mit der Nummer
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