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Bettler und Hase. Roman

Bettler und Hase. Roman

Titel: Bettler und Hase. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuomas Kyrö
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10 und dem Namen Litmanen. Noch eine Tasse Kaffee mit einem pausenlos quasselnden Stadtrat, dann konnten Vater und Sohn sich endlich wieder auf die Rückbank des Millionen-Mercedes fallen lassen.
    Anneli Vatanescu-Pommakka saß vorn im Kindersitz, das Kaninchen kauerte hinten in einer Ecke.
    »Über die Nebenstraßen?«, fragte Esko Sirpale.
    Ja. Sand und Schlaglöcher erinnern mich an meine Kindheit.
    »Alles klar. Aber ich leg ein bisschen Musik auf. Die erinnert mich nämlich an meine Jugend.«
    Jamppa Tuominen, Finn-Hits, Matti und Teppo. Vatanescu hatte all das zu verstehen versucht, er hatte sich bemüht, die Stimmung zu erfassen, aber der Sound dieses Landes war derart gedrückt, dass er sich ihm einfach nicht erschloss. Abgesehen von übersetzten Liedern wie »Dschingis Khan«, dessen Sänger bei Vatanescus Wahlparty in Helsinki aufgetreten war. Als Frederik nun »Ramaya« sang, streckte sich Vatanescu nach vorn und kraulte seine Tochter unterm kleinen Kinn. Dann kraulte er das Kaninchen im Nacken. Beide niesten. Esko Sirpale kurbelte die vorderen Fenster herunter, Vatanescu die hinteren.
    Er schaute in die Landschaft, auf Felder, Holzkirchen, Viehställe, Friedhöfe, hoch aufragende Reklametürme von Einkaufszentren, ABC -Tankstellen, Mopedfahrer, Mädchen in nabelfreien Hemden, Jungen in schlackernden Hosen, auf all das, was ihm einmal vollkommen fremd gewesen und nun für immer vertraut war.
    Wieder kamen sie durch ein Dorf, das sich von den anderen nur durch den Namen und die Höhe seines Kirchturms unterschied. Sirpale ließ den Wagen am Friedhof vorbeirollen, wo gerade ein Eichhörnchen eine Fichte hinaufkletterte und von einem Ast zum anderen sprang.
    »Wenn wir bis zur Sportschau daheim sein wollen, müssen wir die restliche Strecke auf der Autobahn fahren.«
    Wir haben etwas Wichtigeres vor, etwas, das die Ausmaße eines ganzes Lebens hat.
    Miklos kann die Adresse in den Navigator eingeben.
    Umpimetsäntie 597 .

Die Farbe blätterte ab, aber das Haus stand aufrecht wie eine Eiche auf dem Hügel. Es war mit so wenig Aufwand wie möglich erbaut worden, aus selbstgeschlagenem Holz auf sandigem Grund. Vernunft und Maß, Traum und Erfüllung. Es gab ein kleines Kartoffelbeet und Johannisbeersträucher in gleichmäßigem Abstand. Hinten im Garten stand der Holzschuppen. Dort waren zwei Raummeter Holz sauber aufgeschichtet. Gartenschlauch, Rasenmäher, Axt, Säge und Motorsäge waren auch vorhanden.
    »Was tun wir hier?«, fragte Miklos seinen Vater.
    Der Besitzer dieses Hauses hat einen Sinn für den Wert der Dinge. Der Wert hat nichts mit ihrem Alter zu tun.
    Er liegt in ihrem Zustand und ihrem ideellen Wert.
    Was wertvoll ist, will man nicht verlieren.
    Derjenige, der den Holzschuppen gebaut hat, hat Angst, ihn zu verlieren. Darum hegt und pflegt er ihn.
    Auf der Veranda saß ein älteres Ehepaar mit grauen Haaren und runzligen Gesichtern. Der Mann trug ein Hemd mit kurzen Ärmeln, die Frau ein Sommerkleid. Ihr Kopf lag auf der Schulter des Mannes, und sie liebten einander mit derselben Wärme, mit der sie sich auf der Schwedenfähre geliebt hatten. Die Tiefe des Gefühls wurde dadurch bestätigt, wie sehr der Anblick Vatanescu rührte und Miklos abschreckte. Als Pentti die Ankömmlinge bemerkte, erhob er sich mühsam und streckte die Hand aus.
    »Wir haben jeden Tag gewartet«, sagte Pentti. »Dass der anständige Junge anständige Stollenschuhe kriegt.«
    Ulla holte die guten Tassen mit den goldenen Henkeln aus dem Schrank und goss Vatanescu Kaffee ein. Für Miklos gab es einen Becher Saft und ein in Pergamentpapier eingeschlagenes, mit Kordel verschnürtes Päckchen. Vatanescu blickte auf die beiden Alten und auf seinen Sohn, der nichts Besseres zu tun hatte, als ein großes Stück vom Hefegebäck zu nehmen. Dann ein zweites und ein drittes. Miklos nahm die Stollenschuhe genau in Augenschein, er roch am echten Leder, versuchte die Schuhe zu biegen. Sie waren schwer, sie knarzten, man merkte, dass sie aus einer anderen Zeit stammten. In der Welt der Gegenwart würde kein Junge seine Füße hineinstecken, denn er würde damit auf dem Feld seinen Ruf verlieren und könnte nicht die volle Leistung abrufen; aber als Junge, der bei seiner Großmutter aufgewachsen war, wusste Miklos Worte, mit denen er das alte Paar nicht kränkte:
    »Die sind wahnsinnig wertvoll«, sagte er. »Für die kriegt man bei eBay bestimmt ein paar hundert.«
    Ulla nahm Penttis Hand und streichelte sie, dann führte sie den

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