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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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‹Verband für sauberes Geschäftsgebaren› verstand nicht recht, was Mary auf dem Herzen hatte. Sie sprachen viel von zwischenstaatlichen Handelsbeziehungen und wollten Mary eine Menge Formulare geben, die Mr. Plumber ausfüllen sollte. Endlich seufzte Mary: «Ach, du mein Gott!» und hängte auf. Doch ihre Energie war noch nicht erloschen, und sie schleifte mich mit zu einem gemeinsamen Freund, der Anwalt war.
    «Ach, wahrscheinlich nur ein einsamer alter Kauz, der Mädchenbekanntschaften zu machen versucht», wehrte der Anwaltfreund ab.
    «Sei nicht albern, Andy», wies Mary ihn zurecht. «Der Kerl ist ein Sklavenhändler. Wieso hat er Betty mit keiner Silbe gefragt, ob sie Maschine schreiben kann? Er wollte bloß wissen, ob sie gerne tanzt.»
    «Vielleicht ist er bei einer Tanzschule angestellt», meinte Andy.
    «Kein Wunder, daß es mit diesem Land bergab geht», tobte Mary. «Ihr steckt alle den Kopf in den Sand und wollt nicht wahrhaben, daß achtzig Prozent aller schulentlassenen Mädchen als Prostituierte in den Orient verschleppt werden.»
    «Brauchen sie für den Orient ein Abgangszeugnis?» erkundigte Andy sich trocken.
    «Du würdest keinen Finger krümmen, und wenn der Mädchenhandel sich in deinem eigenen Büro abspielte», versetzte Mary, zog mich hinter sich her und knallte die Türe ins Schloß.
    Mit großer Genugtuung telefonierte sie Andy am nächsten Tag und berichtete, daß der ‹Verband für sauberes Geschäftsgebaren› ihr mitgeteilt habe, daß Mr. Plumber ohne eine Adresse zu hinterlassen und ohne die Schiffsladung tanzwütiger Sekretärinnen abgereist sei.
    Ich kramte am nächsten Morgen gerade in einem Schrank voller alter Schachteln und Fotografien und Notenblätter herum, als Mary anrief und mir triumphierend mitteilte: «Ich habe eine ideale Stellung für dich gefunden.»
    Meine Gemütsverfassung kletterte von tiefster morgendlicher Verzweiflung zu lebensbejahender Zuversicht empor.
    «Hat es etwas mit Lagerfeuer und Tanzen zu tun?»
    «Unsinn. Du wirst Sekretärin bei einem entzückenden Mann, einem gewissen Welton Brown bei der Western Insurance Company. Ich hatte heute morgen bei Welton zu tun, und er erzählte mir, daß seine Sekretärin weggeht und bot mir die Stelle an. Ich sagte, ich hätte schon eine Stellung, aber du hättest keine, und er hat mich nach dir gefragt, und ich habe ihm von dir erzählt, und er hat mir die Tätigkeit geschildert, und wir waren beide der Überzeugung, daß du wie geschaffen dazu bist.»
    «Ist es eine richtige Sekretärinnenstelle oder etwas besonderes?» fragte ich mißtrauisch.
    «Tja, das macht's ja gerade so interessant, Betsy», antwortete Mary ein bißchen zu hastig und ein bißchen zu überschwenglich. «Und du bist doch sooo begabt, du bist wirklich die einzige, die den Posten ausfüllen kann.»
    Wenn Mary anfing, meine besonderen Talente zu preisen, tat ich recht daran, auf der Hut zu sein. «Welche Eigenschaften hast du mir denn angedichtet?» fragte ich, krampfhaft bemüht, meine Stimme nicht über Gebühr zu heben.
    «Hör auf, mich andauernd zu unterbrechen, dann wirst du's erfahren», versetzte Mary. «Also Welton gibt die Zeitung für die Versicherungsgesellschaft heraus, und seine Sekretärin muß natürlich Schreibmaschine schreiben und stenographieren können und über Versicherungen Bescheid wissen und mit Werbemethoden und Seitenumbruch vertraut sein. Und sie muß ein bißchen zu zeichnen verstehen, damit sie die Zeitschrift illustrieren kann, und Artikel überarbeiten und selbst welche schreiben gehört auch dazu. An und für sich hätte er lieber jemanden gehabt, dessen Arbeiten schon veröffentlicht worden sind.»
    «So», sagte ich energisch. «A – in Schreibmaschine und Stenographie bin ich mittelmäßig bis schlecht; B – von Werbemethoden oder Seitenumbruch habe ich keinen blassen Schimmer; C – ich habe zwar Kurse in Kunst auf der Hochschule genommen, aber außer Gipsabgüssen habe ich noch nie etwas produziert; D – ich habe noch keine Zeile in meinem Leben geschrieben, und was ich vom Versicherungswesen verstehe, hat nur mit Hühnern und Küken zu tun.»
    «Hör mir einmal gut zu, Betty!» kam die Stimme meiner Schwester durchs Telefon. «Ich kenne dich jetzt seit vierundzwanzig Jahren, und in all der Zeit hast du immer den Standpunkt eingenommen: Betty kann nichts. Falls es dir bis jetzt entgangen sein sollte, so laß dir's von mir gesagt sein, daß wir uns in einer schweren wirtschaftlichen Krise befinden und

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