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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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Holzfäller und Fabrikarbeiter umherzulungern und von politischen oder religiösen Wahnideen Besessene Volksreden zu halten pflegten.
    ‹Eine gute Gelegenheit, Marys Behauptung zu prüfen, daß nur die Untüchtigen auf der Straße liegen›, dachte ich, aber als ich weiter vordrang, gab ich das kritische Mustern der Leute auf und hielt meinen Blick geradeaus gerichtet, denn immer häufiger wurde ich angesprochen und mit vielsagenden Pfiffen beehrt.
    An einer Straßenecke hatte ein schäbig aussehender kleiner Mann mit rinnender Nase und hurtig umherblickenden schwarzen Augen eine Anzahl Leute um sich versammelt und redete ihnen zu, Buße zu tun, während ein anderer Mann mit hohem Schädel und großen Asketenaugen auf die gleichen apathisch dastehenden Zuhörer einschrie, sie sollten etwas gegen die Bande gemeiner Kapitalisten unternehmen.
    Eine alte Frau schob einen Kinderwagen voller Lumpen und alter Zeitungen vor sich her und stocherte in den Abfalleimern nach verwendbaren Resten. Ein Betrunkener packte mich am Arm und bettelte lallend um eine Münze.
    An der nächsten Ecke fragte ich einen Polizisten nach der Adresse, wo ich Mr. Handel finden sollte, und der Hüter der Ordnung war sehr freundlich und begleitete mich den Rest des Weges. Er zeigte mir Mr. Handels Geschäftsschild im zweiten Stock eines sehr alt aussehenden Gebäudes. Der Fahrstuhl war einer dieser alten, offenen Käfige, und der Fahrstuhlführer, ein magerer Mann ohne Zähne und mit entzündeten Augen, war so schwach, daß er die Türe nicht zuschieben konnte. Er bat mich, ihm zu helfen, was ich tat, und mit einem «Danke, die Dame» wischte er sich mit seinen vor Schmutz starrenden Ärmeln über die entzündeten Augen. Der Marmorboden des Korridors im zweiten Stock, wo ich ausstieg, senkte sich nach einer Seite, und ich kam mir vor wie an Bord eines alten abgetakelten Schiffes, als ich den dunklen Gang hinunterschritt.
    Mr. Handel mußte hinter der Türe auf der Lauer gelegen haben, denn als ich schüchtern eintrat, fiel ich fast über ihn. Ich entschuldigte mich, und er packte gleich meine Hand und drückte sie mir bis zur Schulter hinauf.
    «Sehr schön, sehr schön», rief er. «Freut mich, daß Sie gekommen sind, na, und nun ziehen Sie mal Ihren Mantel aus, damit wir sehen, wie Sie gewachsen sind.» Ich kam der Aufforderung nach, und Mr. Handel tänzelte herum und sagte: «Sehr gut, sehr gut, Sie haben gute Linien, mein Kind, und wirklich Klasse. Und nun zeigen Sie mal, wie Sie gehen.» Das Büro war sehr eng, und ich schlängelte mich in vielen Kurven um den Schreibtisch herum und zum Fenster vor und zurück, immer bemüht, Mr. Handels grapschenden, nach mir langenden, tastenwollenden fetten Händen auszuweichen.
    «Sehr schön, sehr schön», meinte er zufrieden. «Aber wozu die Eile, Baby? Jetzt will ich mal einen Mantel holen und sehen, wie Sie ihn tragen.» Und er verschwand durch eine Türe und kam gleich darauf mit einem auf Nerz gefärbten Bisammantel zurück, eine Pelzart, für die ich nie viel übrig hatte, und die mich schon gar nicht locken konnte, wenn Mr. Handels hurtige Hände noch als Extrazugabe mit dem Anziehen verbunden waren.
    Ich brachte mich hinter dem Schreibtisch vor ihm in Sicherheit und fragte nach der Buchhaltung. «Ach, das machen wir nachts», sagte er. In diesem Augenblick trat ein Mann mit einem weißen Fuchspelz über dem Arm in die Türe zu den rückwärtigen Räumen, und Mr. Handel sagte: «Warten Sie, Baby, ich bin gleich wieder da», und verschwand mit dem Mann mit dem weißen Fuchspelz. Ich warf den Bisammantel zu Boden, griff nach meinem Wollmantel und flitzte zur Türe hinaus, bevor Mr. Handel sich wieder blicken ließ. Zehn Minuten später stürzte ich in Marys Büro.
    «Eher gehe ich zurück auf die Hühnerfarm, bevor ich für diesen Kerl arbeite», brüllte ich Mary an. «Er hat mich gezwickt und betastet wie ein Fleischbeschauer ein Stück Vieh, und die Buchhaltung würden wir des Nachts machen, hat er gesagt.»
    «Was du nicht sagst», meinte meine Schwester nachdenklich. «Er rückte einem früher so auf die Pelle, daß ich ihm meine Reklameideen von jenseits der Straße zuschreien mußte, aber ich dachte, er hätte sich geändert.»
    «Und was hat dich auf diesen Gedanken gebracht?» erkundigte ich mich eisig.
    «Ich sah ihn neulich im Hotel Olympic bei der Pelzmodenschau. Ich hatte die Einladungen verfaßt und war dort, und er benahm sich sehr nett und zivilisiert. Allerdings befanden wir uns im

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