Betty kann alles
doch gleichzeitig einen kummervollen Unterton hatte. Ich sah vom Boden, wo ich auf den Knien herumrutschte, auf. Dorita hielt sich die Hand vor den Mund und schien wirklich zu lachen. Aber ihr Gesicht spiegelte nichts Vergnügtes wider, und ihre Augen funkelten gehässig.
«Ich kann es nicht spaßig finden», sagte ich verärgert. «Außerdem bin ich entsetzlich müde.»
«Ich habe zehn Pelzmäntel», entgegnete Dorita. «Ich borge Ihnen jederzeit einen, wenn Sie wollen.»
«Nein, danke», lehnte ich kurz ab.
«Da, probieren Sie mal den Leopardmantel an.» Sie schlüpfte aus ihrem Mantel und legte ihn mir über die Schultern. Ich versuchte, das Ding abzuschütteln, aber sie beugte sich vor und zog die Revers um meinen Hals zusammen. Das Fell enthielt noch ihre Körperwärme, und Doritas nicht unangenehmer, aber etwas süßlich öliger Geruch stieg mir in die Nase. Ich stand auf, riß mir den Mantel von den Schultern und warf ihn Dorita zu. Im selben Augenblick kam Marys Stimme von der Türe. «Hallo, Betsy, tut mir leid, daß es so spät geworden ist.»
Wie der Blitz schlüpfte Dorita in ihren Mantel, setzte sich auf den Stuhl und falzte mit ergebenem Gesicht Einladungen. «Oh, Dorita, ich hatte keine Ahnung, daß Sie hier sind», rief Mary verwundert.
«Mr. Ajax hat mich gebeten zu helfen», erwiderte Dorita.
«Das ist wunderbar. Sonst ist es so einsam hier für Betty.»
«Betty mag mich aber nicht», versetzte Dorita. «Sie legt keinen Wert auf meine Hilfe.»
«Das ist nicht wahr», fuhr ich auf. «Ich lege nur keinen Wert darauf, daß Sie den Stapel fertiger Einladungen auf den Boden werfen.»
«Ich war's ja gar nicht. Sie selbst haben die Kuverts hinuntergeworfen», behauptete Dorita.
Mary sah uns verwundert an. «Was ist denn los? Ihr werdet euch doch nicht zanken?» fragte sie.
«Du lieber Himmel, nein», entgegnete ich.
«Wie wäre es, wenn wir alle zusammen Kaffee trinken gingen», schlug Dorita vor. «Ich kenne hier in der Nähe ein sehr nettes kleines Lokal.»
«Wartet, bis ich die Kuverts aufgehoben habe», rief ich.
«Ich werde Zündhölzer für dich halten, dann siehst du besser», meinte Mary. «O je! das war das letzte! Haben Sie Zündhölzer bei sich, Dorita?»
«Ich habe gar keine Handtasche mit», erwiderte Dorita.
Ich kramte in meiner Handtasche nach Zündhölzern, als mir plötzlich einfiel, daß, falls Dorita keine Tasche bei sich trug, es ja meine gewesen sein mußte, in der ich sie nach etwas hatte suchen sehen.
Verwirrt musterte ich Dorita. Sie war emsig damit beschäftigt, ihre Handschuhe glattzustreifen.
«Ach, überlaßt die Einladungen bis morgen ihrem Schicksal», sagte Mary.
Ich liebte die Gegend unten am Hafen zu jeder Jahres- und Tageszeit und besonders, wenn es regnete und der Tanggeruch und der Salzgeschmack in der Luft stärker waren; aber an jenem Abend schien alles unheimlich und bedrückend zu sein. Überall sah ich dunkle Winkel und Ratten und Leute mit Gesichtem wie Möwen. Mir war schrecklich kalt, und meine Zähne klapperten, als wir endlich zu dem kleinen, hell erleuchteten, warmen Lokal kamen. Dorita war sehr gut gelaunt, unterhielt sich lachend mit dem alten Norweger, dem das Café gehörte, und bestellte für uns alle Kaffee und Pfannkuchen.
Unter dem Vorwand, meine Zigaretten zu suchen, überflog ich den Inhalt meiner Handtasche. Es schien nichts zu fehlen. Hatte ich mich geirrt? Hatte ein Licht- und Schattentrick mich zum Narren gehalten? Dorita trug keine Tasche mit sich. Langsam erwärmte ich mich, und als der heiße Kaffee den Eisklumpen aus meinem Magen vertrieb, begannen die Dinge freundlicher auszusehen, und ich war geneigt, alles für Einbildung und einen dummen Traum zu halten.
Mary und Dorita verabredeten sich für den nächsten Tag, einem Sonntag, um zwei Uhr im Lagerhaus. Mary gab Dorita ihren Schlüssel, weil, wie sie sagte, der Wächter sie kenne und sie daher hereinlassen würde, falls sie zuerst käme. Ich überlegte, daß es doch eigentlich sonderbar von Mr. Ajax war, Dorita keinen Schlüssel zum Lagerhaus zu geben, wenn sie uns dort auf sein Geheiß hin helfen sollte, und während ich noch darüber nachdachte, fiel mir auf, daß sie die klebrigen Pfannkuchen mit behandschuhten Händen aß.
«Normale Menschen essen Zuckerpfannkuchen nicht mit behandschuhten Fingern», erklärte ich Mary aufgeregt, als wir etwas später allein heimgingen. «Nur Leute, die Angst haben, Fingerabdrücke zu hinterlassen, benehmen sich so.»
«Ach,
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