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Betula Pendula: Erster Zyklus: Frühling (German Edition)

Betula Pendula: Erster Zyklus: Frühling (German Edition)

Titel: Betula Pendula: Erster Zyklus: Frühling (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Kassem
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in die Brotabteilung da hinten und hole die Baguettes. Ich lasse den Einkaufswagen hier, du packst alles hinein, was du willst, aber beeil dich, wir sind spät dran“, sagte Oded und ging das Brot holen.
    Als er zurück kam, lagen im Einkaufswagen eine kleine Kiste Spiderman-Lollys und eine kleine Kiste Atomic Flavor Monster Wunderbälle. Ein verschämter Viktor stand daneben.
    „Wie, das ist alles?“ fragte Oded.
    Viktor nickte wütend und schob mühselig den großen Einkaufswagen aus der Süßigkeitenabteilung heraus.
    Viktor verabscheute Veränderungen, und wenn Oded gehen würde, dann wäre das eine immense Veränderung. Alles würde durcheinanderkommen. Wer würde ihn immer zur Schule fahren? Wer würde ihn abholen? Wer würde das Auto fahren und wer würde seiner Mutter im Atelier helfen? Viktor konnte solche schlimmen Veränderungen nicht verantworten und wollte nicht schuld sein, dass solche grauenerregenden Sachen passierten. Und da er Oded mochte und dieser wusste, dass seine Mutter ihn mochte, sogar sein Vater mochte ihn, dass Hala und Gem und die anderen ihn auch mochten, und außerdem konnte Oded – anders als die anderen Erwachsenen – auch spielen und war lustig, und da all dies auf der Waagschale ein großes Gewicht hatte, entschied sich Viktor, dass ein paar Kisten Süßigkeiten Odeds Weggang nicht wert waren.
    Aber Viktor war auch wütend, weil er verloren hatte. Jedoch grinste er verstohlen auf dem Weg zur Kasse, denn unter dem Karton Monsterbälle hatte er eine kleine Packung Yummi Teddys versteckt. Und er grinste noch mehr, als Oded sie bezahlte und es noch nicht einmal bemerkte, dass Viktor ihn angeschummelt hatte. Er grinste zu Hause noch breiter, als sie seiner Mutter beim Auspacken gar nicht auffielen und sie kein Wort dazu sagte. So war seine Niederlage nicht ganz so demütigend und er fand, dass er ein sehr gutes Geschäft gemacht hatte.
    Oded hingegen stellte sich, nachdem er alles in Helenas Küche abgeladen hatte, hinter einem Baum auf dem Hinterhof, rauchte eine Zigarette und versuchte , seine Nerven zu beruhigen. Der Vorfall im Supermarkt hatte ihn umgehauen. Dass Viktor, der Sohn der Chefin, auf seine innigsten Wünsche für ihn verzichtete, hätte er niemals gedacht. Natürlich wäre Oded nicht gefeuert worden, wenn sie mit den Unmengen an Süßigkeiten zurückgekommen wären, höchstens nur angeschrien. Und Oded, der eine sentimentale Ader hatte, erlebte deswegen starke emotionale Turbulenzen – weil Viktor so gehandelt hatte, weil ihn der kleine Junge anscheinend mochte, weil er für ihn auf seine innigsten Wünsche verzichtet hatte. Und weil Oded das erste Mal seit Jahren wieder das Gefühl hatte, einer Familie anzugehören. Dieser Vorfall stärkte Odeds Loyalität für Viktor ins Unermessliche. Er sollte es nie vergessen.
    Viktor dachte natürlich nie wieder daran, denn der Erwachsenengeburtstag und der Kindergeburtstag und die ganze Aufregung verdrängten die kleine Supermarktgeschichte aus seiner Erinnerung. Aber Oded steigerte sich hinein und sah darin einen Paukenschlag und schwor dem Baum, unter dem er stand, der nun als Eidzeuge fungierte, Solidarität und Ritterlichkeit in aller Ewiglichkeit für die Familie Abies. Es wäre anzumerken, dass Oded ein großer Liebhaber des Mittelalters war und einmal im Jahr vom Atelier Urlaub bekam, um nach Salix Alba zu fahren, um den jährlichen Mittelaltermarkt zu besuchen. Er zeltete dort immer, zog seltsame Kleidung an (Helena hatte ihm eine Houppelande und ein Beinkleid genäht und ihm einen Hut samt Fasanenfeder gefilzt), redete mit den anderen in einer seltsam verdrehten Sprache, bezahlte mit Talern und schloss kurzfristige Bruder- und Schwesternschaften. Er fand nun ein neues Rollenspiel, um seine Zeit zu vertreiben, und gefiel sich in seiner neuen Funktion als treuer und ergebener Ritter für den Prinzen. Dass er seine Houppelande und den Federhut am Nachmittag zum Geburtstag anzog, fiel niemandem auf, genauso wenig wie es niemandem besonders auffiel, dass die zwei Mitarbeiter aus Bahrain ihre Dishdashas anzogen, die Frauen aus den Philippinen bunte Imelda-Kleider trugen, Viktor als Darth Maul herumlief, Hala als Minnie Mouse gekleidet war und Gem als Power Ranger.
    Während Oded auf dem Hinterhof Semper fidelis schwor, half Viktor seiner Mutter in der Küche. Sie machten irgendetwas, wovon Viktor nicht wusste, was es überhaupt war, aber es war ja Geburtstag, und da kann man schon mal seltsame Machenschaften in Kauf nehmen.

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