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Betula Pendula: Erster Zyklus: Frühling (German Edition)

Betula Pendula: Erster Zyklus: Frühling (German Edition)

Titel: Betula Pendula: Erster Zyklus: Frühling (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Kassem
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herum und nach einigen Schiffsfahrten und einigen Bahnfahrten und einigen Wochen zu Fuß und unzähligen Mitfahrgelegenheiten erreichte er zufällig Hedera Helix. Da, von einem Tag auf den anderen, entschied Oded, dass er müde war. Er wollte eine Zeitlang sesshaft werden, um sich auszuruhen, also suchte er sich einen Job. Er landete im Reconquista. Rocco servierte ihm misstrauisch und mürrisch ein Stück Apfelkuchen und russisches Bier, und ging dann auf die Straße, um jemanden wütend anzuschreien. Das zwei Häuser nebenan liegende Schneideratelier bekam gerade eine große Lieferung Stoffballen, ein großer LKW blockierte die ganze Straße. Oded ging mit der Flasche Bier nach draußen, um sich die Quelle des Lärms anzuschauen. Ein paar kleine Kinder liefen herum und standen den Erwachsenen im Weg, drei winzige Asiatinnen und zwei kleine dürre, arabisch aussehende Männer bemühten sich, die großen Stoffballen ins Atelier hineinzuschleppen. Die ganze Aktion wurde von einer sehr großen, sehr schönen und sehr streng aussehenden Frau überwacht, die mit den Händen auf den Hüften dastand, ihre Haare streng am Hinterkopf geknotet hatte und penibel darauf achtete, dass nichts den staubigen Boden berührt. Da lief Oded zum LKW, packte einen Stoffballen und trug ihn hinein in die Schneiderwerkstatt, lief wieder zum LKW und schleppte erneut einen, entlastete die dünnen, kleinen Frauen, half, eine große Kiste zu tragen, und stolperte fast über einen kleinen, dunkelhaarigen Jungen, der ihn misstrauisch und ängstlich anstarrte und dann zur strengen Frau lief und sich an ihr Bein klammerte, während er Oded nicht aus den Augen ließ. Da dachte sich Oded, dass er dort für eine Arbeitsstelle vorsprechen könnte, da er schon vermutete, dass der Besitzer vom Reconquista ihn nicht anstellen würde (womit er Recht hatte).
    An jenem Tag, jenem herrlichen Samstag, als jemand acht Jahre alt wurde, funkelte und glitzerte die Welt in entzückenden Farben. Sie verstauten die Getränkekisten im Auto und fuhren dann zu einem großen Supermarkt im Gewerbegebiet. Es mussten Sachen für den Kindergeburtstag am Montag gekauft werden, Oded hatte seine Kaufanweisungen von Helena auf einer Einkaufsliste stehen, aber Viktor hatte eigene Vorstellungen darüber, mit welchen Lebensmitteln er seinen Geburtstag feiern wollte. Also standen sie zweieinhalb Stunden in der Süßigkeitenabteilung und es wurde ausführlich diskutiert. Beide, Oded und Viktor, hatten einen Vorteil beziehungsweise einen Nachteil, wenn es um Diskussionen ging. Oded war sehr geduldig, mochte Kinder und liebte es zu debattieren. Und Viktor war sehr wohlerzogen und liebte es zu verhandeln. Nach den zweieinhalb Stunden wurden beide aber müde, Oded schaute auf die Uhr und merkte an, dass Helena wütend würde, denn sie seien sehr spät dran.
    Viktor wollte unbedingt Yummi Teddys, Trolli Spaghettini, blaue Schlangenhäute, Spiderma n-Lollys, Schleckpulverstangen und Atomic Flavor Monster Wunderbälle. Oded hatte aber auf seiner Liste „Eine kleine Kiste Schokoriegel“ und „eine kleine Kiste Lollys“ stehen, mehr nicht, und man tat gut daran, Helenas Einkaufslisten haargenau zu befolgen. Viktor beharrte aber auf den ganzen Sachen, und als er bemerkte, dass Oded hartnäckig blieb und gute Argumente dagegen hatte, bekam er Tränen in den Augen, schob seine Lippe hervor, malte mit seinem Schuh imaginäre Bilder auf dem Boden und winselte tränenerstickt: „Okay, dann will ich gar nichts mehr, lass uns gehen.“
    Aus den Augenwinkeln sah er, wie Oded seinen Kopf an einem Regal anlehnte und die Augen schloss. Oded befand sich in einem wahren Dilemma. Er wollte weder Ärger mit Helena, noch wollte er, dass Viktor an seinem Geburtstag enttäuscht und traurig war. Außerdem war es schon fast Mittag, sie waren wirklich spät dran und die Verkäufer kamen immer „zufällig“ in den Gang und schauten sie misstrauisch an.
    „Hör mal, Viktor“, sagte Oded schließlich. „Ich kaufe dir alles.“
    Viktor blickte erwartungsvoll hoch.
    „Ich werde dir alles kaufen , was du willst, aber dann muss ich euch verlassen, weil deine Mutter mich feuern wird. Du kennst sie ja. Du weißt ja, dass wenn man nicht das macht, was sie will, dann dreht sie durch. Wir machen also einen Deal. Ich kaufe dir alles, aber du musst mir dann sofort beim Packen helfen, denn ich müsste dann sofort verschwinden, bevor deine Mutter mich umbringt. Okay?“
    Viktor starrte ihn an.
    „Ich gehe jetzt kurz

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