Betula Pendula: Erster Zyklus: Frühling (German Edition)
Cristobal. „Es gibt so viele Hühner, das ist kein Problem. Phönix sagt : ‚Alles,was sich regt und lebt, das sei eure Speise ’ .“
„Wer ist Phönix?“
„Das ist Gott! Der auferstandene und wiedergeborene Gott. Er ist verbrannt und gestorben, aber er lebt immer weiter.“
Viktor nickte.
„Phönix hat gesagt, dass alles, was sich regt und lebt, das sei unsere Speise. Also kannst du Hühner essen“, wiederholte Cristobal.
„Auch Reptilien?“
Cristobal erbleichte und starrte Viktor entsetzt an. Dann verzog er angewidert das Gesicht und stotterte: „Rep-Reptilien e-essen?!“
Viktor sagte nichts mehr, Cristobals Reaktion schien ein Hinweis auf eine besonders dumme Frage zu sein.
„Warum willst du Reptilien essen?“, würgte Cristobal hervor.
„Ich weiß nicht“, sagte Viktor. „Ich habe nur so gefragt.“
„Phönix hat gesagt : ‚Was auf Erden schleicht, das soll euch eine Scheu sein, und man soll's nicht essen. Alles, was auf dem Bauch kriecht, und alles, was auf vier oder mehr Füßen geht, vonallem, was auf Erden schleicht, sollt ihr nicht essen; denn es soll euch eine Scheu sein. Macht eure Seelen nicht zum Scheusal und verunreinigt euch nicht an ihnen, dass ihr euch besudelt. Denn ich bin der Herr, euer Gott. Darum sollt ihr euch heiligen, dass ihr heilig seid, denn ich bin heilig, und sollt eure Seelen nicht verunreinigen an irgendeinem kriechenden Tier, das auf Erden schleicht ’ .“
Viktor nickte.
„Wenn man Reptilien isst, dann macht man seine Seele zum Scheusal und verunreinigt sie!“, rief Cristobal.
„Alles klar“, sagte Viktor und dachte nach. „Aber Reptilien regen sich und leben auch, nicht? Phönix hat doch gesagt, dass man essen darf, was sich regt und lebt.“
Cristobal hyperventilierte und krallte sich an die Bettwäsche. „ Aber nicht Reptilien !“, schrie er.
„Aber wenn man viele Reptilien isst, dann werden sie weniger auf der Erde und das ist gut, wenn sie weniger werden, oder?“
„Aber Phönix hat gesagt, dass das, was kriecht, die Seele verunreinigt und ein Scheusal ist!“, wimmerte Cristobal. „Er hat sogar gesagt, dass Eidechsen und Chamäleons unrein sind, und wer sie berührt, wird unrein.“
„Man isst keine Reptilien ! Ich habe keinen Hunger mehr, mir ist schlecht“, jammerte Cristobal und schob das Honigglas von sich weg.
„Es tut mir leid“, sagte Viktor, Cristobal schaute betroffen und angewidert in die andere Richtung.
„Ich fahre nach Lantana Camara“, sagte Viktor und erzählte Cristobal über den Geburtstag seiner Mutter.
Cristobal hörte aufmerksam zu, machte sich Notizen über das Datum und schrieb sich den Namen der Stadt auf, sagte dann, dass es kein Problem sei: man würde die Möwen mobilisieren und für den Weg dorthin würde er eine Eskorte bekommen.
Viktor fiel etwas ein. „Gibt es Krokodile dort? Krokodile leben doch am Meer.“
Cristobal erbleichte und torkelte schwindlig hin und her. „Du darfst dort nicht hingehen!“, hauchte Cristobal mit entsetzter Stimme.
„Aber gibt es dort Krokodile? Ich weiß nicht.“
„Du darfst nicht dort hingehen! Ich werde mit den Möwen und mit den Eulen sprechen, sie sollen zuerst das Gebiet erkunden und schauen, ob es dort Krokodile gibt. Ich sage dir noch Bescheid, ob du hingehen darfst oder nicht!“
„Ich habe noch nie ein echtes Krokodil gesehen“, sagte Viktor.
„Sei froh!“, rief Cristobal.
„Vielleicht gehe ich mit Marco in den Zoo, da gibt es Reptilien.“
„Warum willst du Reptilien sehen? Du hast Edison gesehen, das war schrecklich genug!“
Viktor dachte nach, er fand Edison nicht besonders schrecklich, aber er vermutete, dass er das lieber nicht sagen sollte. „Ich will den Feind kennenlernen“, sagte er schließlich.
Die Antwort war anscheinend eine gute Antwort, denn Cristobal überlegte kurz und nickte dann heftig. „Gut. Gut gut. Das finde ich gut! Du gehst mit einem großen Menschen hin, ja?“
Viktor nickte.
„Und die Reptilien sind eingesperrt, ja?“
Viktor nickte.
„Das ist gut. Das machen wir auch manchmal. Wir fliegen in Zoos und schauen uns in der Ausbildung die Reptilien dort an. Da sind immer große Vögel dabei, die auf uns aufpassen, und bisher ist nichts passiert.“
In jener Nacht unternahmen sie noch einen Spaziergang. Sie kamen wieder zum schwach beleuchteten Platz neben der Quercusstraße und gingen dann weiter bis zum Zirkus. Sie kamen an dem Brachliegenden Feld an, das immer noch brach war, aber ganz viele
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