Beuteschema: Thriller (German Edition)
Ende als auch einen Neubeginn, und beides hatte sie nie dringender gebraucht als jetzt.
Ein Schluck von ihrem frisch nachgeschenkten koffeinfreien Kaffee vertrieb diese Gedanken rasch. Sie stellte die Tasse ab und verzog das Gesicht. Sie hatte sich in der halben Stunde, die sie auf Nick wartete, bereits dreimal nachfüllen lassen, und der Kaffee hatte seinen Geschmack längst verloren. Sie erinnerte sich, wie sie an dem Abend, an dem Charles Sedgwick Maggie Stolls getötet und sie selbst zu töten versucht hatte, in demselben Diner an demselben Tisch gesessen hatte. Sie bemühte sich, den Gedanken zu verscheuchen, während sie ungeduldig auf die Uhr sah. Halb elf. Wo zum Teufel steckt er?
Etwas mehr als ein Monat war vergangen, seit sie Sedgwicks tödliches Geheimnis bei Biopharix entdeckt hatten, und es war ein Monat gewesen, den Claire gern vergessen würde. Sie hatte geglaubt, Paul Curtins Begräbnis, das vor gerade zwei Tagen auf einem schönen, abgeschiedenen Friedhof in Connecticut stattgefunden hatte, würde ihr einen Abschluss bringen. Bis ihr klar wurde, dass es noch ein letztes loses Ende zu verknüpfen, ein Unrecht wiedergutzumachen galt, an einem Opfer, das wie sie selbst, wie Nick und Curtin in den Strudel dieses Horrors gesaugt worden war.
Ein plötzlicher kalter Luftzug ließ sie zur Tür des Diners blicken. Sie bemerkte, dass er sich trotz der ausreichenden Beleuchtung langsamer, tastender bewegte.
Sein Sehvermögen verschlechtert sich, dachte sie.
Genau in diesem Moment entdeckte er sie. Sein Gesicht hellte sich auf. Claire konnte nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern, als er ihr gegenüber auf die Bank rutschte.
» Schön, Sie zu sehen«, sagte Nick und schaute ihr in die Augen.
» Sie auch«, erwiderte Claire und konnte seinem Blick nicht länger als einem Moment standhalten.
Nick wusste, warum. Er erkannte ein trauriges Lächeln, wenn er eines sah. » Machen Sie sich keine Sorgen um mich. Ich brauche nur ein paar Sekunden länger, um mich von Dunkelheit an Licht zu gewöhnen. Aber dieses Problem wird sich bald erledigt haben.«
Er äußerte diese Wahrheit ohne jedes Selbstmitleid, sondern vielmehr mit einer Akzeptanz, die Claire bisher nicht von ihm kannte. Sie sah auf, ihre Blicke trafen sich wieder, aber sie fand noch immer keine Worte.
» Schon gut«, sagte Nick. » Erstaunlich, was diese Psychoheinis bewirken können.«
» Sie machen eine Therapie?«
Ein schalkhaftes Grinsen erschien auf seinem Gesicht. » Irgendwer hat mal zu mir gesagt, die Leute, die keine Psychiater mögen, sind diejenigen, die sie am dringendsten bräuchten. Guter Rat, wenn Sie mich fragen.«
Claire nickte, mehr als erfreut. » Was unternehmen Sie wegen Ihres Jobs?«
» Das ist eigentlich erstaunlich, wenn man es sich überlegt«, sagte Nick. » Vor zwei Monaten haben sie noch nach Wegen gesucht, mich loszuwerden und ins Gefängnis zu stecken. Jetzt überschlagen sie sich förmlich, damit ich bleiben kann.«
Claire sah ihn verwundert an. » Wie können sie zulassen, dass Sie…?«
» Ich musste meine Waffen abgeben«, unterbrach er. » Aber meine Beförderung wird erst im Februar wirksam, und wenn ich so lange bleibe, erhöht sich meine Pension erheblich. Deshalb setzen sie mich dauerhaft auf Innendienst, bis ich meine Entlassung einreichen kann. Sie sagen, das ist das Mindeste, was sie tun können, nachdem Sie und ich Helden sind und so weiter…«
Claire lächelte. » Nur gut, dass es nie jemand erfahren wird.«
Die Ironie war kaum vermeidlich. Nach der Biopharix-Sache waren sie in Schutzhaft genommen und vom FBI eingehend befragt worden, und schließlich hatte man ihnen das Verdienst daran zuerkannt, den Tod von zig Millionen Menschen verhindert zu haben– denn diese biologische Katastrophe hätte sich fraglos zugetragen, wenn das Virus aus Sedgwicks Labor entkommen wäre. Man hatte sie ohne großes Aufsehen ins Weiße Haus geschleust, wo ihnen der Präsident persönlich überschwänglich dankte, ihnen die Sicherheitsstufe » Topsecret« verlieh und ihnen auferlegte, im Namen der nationalen Sicherheit nie einer Menschenseele zu verraten, was geschehen war, damit es nicht zu allgemeiner Panik kam.
» Die Jungs von meiner Truppe haben erzählt, Sie waren bei Curtin, als er starb«, sagte Nick.
» Ich wollte nicht, dass er allein ist. Mit seinen letzten Worten bat er mich, Ihnen für alles zu danken. Und Sie um Verzeihung für das zu bitten, was er getan hat.«
Nick überlegte kurz. » Was
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