Beutewelt 04 - Die Gegenrevolution
seinen Vorgesetzten demütig an und strich sich durch sein schütteres, dunkles Haar.
„Nein, ich bin stolz, einen so großen Beitrag leisten zu dürfen! Ich werde den Rat der Weisen nicht enttäuschen!“
„Was war denn wieder los?“, wollte Julia wissen und starrte Frank an.
„Was meinst du?“
„Bei eurer letzten Demonstration in Orel!“
Frank verzog seinen Mund. „Frag lieber nicht …“
„Eines Tages erschießen sie dich noch“, sagte die junge Frau besorgt.
„Gut möglich …“, hörte sie als lapidare Antwort.
„Na, toll! Hast du da keine Angst vor, Frank?“
Kohlhaas sah sie an: „Doch! Natürlich habe ich das. Die Sache in Orel war furchtbar und ich bin froh, dass ich halbwegs heil davon gekommen bin.“
„Und trotzdem willst du bei den nächsten Kundgebungen wieder mitmachen?“
„Ja, es wird wohl so sein. Ich bin immerhin für einen großen Teil der Ordnertrupps zuständig.“
„Kann denn Tschistokjow keinen anderen für diese Aufgabe einteilen?“
Der Rebell ließ sich auf einen Stuhl nieder und schwieg.
„Rede doch einmal mit ihm!“, forderte Julia.
Frank winkte ab. „Nein, das ist meine Aufgabe. Vielleicht haben wir ja irgendwann doch Erfolg.“
„Vielleicht, vielleicht …“ Die Tochter des Außenministers erschien nicht sehr zuversichtlich.
„Ich sehe im Fernsehen immer nur Krawalle, Verletzte und Tote!“, bemerkte sie.
Kohlhaas wirkte langsam genervt. „Mal eben die Welt befreien geht halt nicht so einfach!“
Die hübsche Blondine schüttelte den Kopf. „Die Welt befreien? Darunter geht es wohl nicht, was?“
„Es ist nun einmal wichtig, dass wir die Revolution weiter bis nach Russland tragen. Artur Tschistokjow hat es genau erklärt und ich stimme ihm bei seinen strategischen Planungen definitiv zu.“
„Das ist doch ein Kampf gegen Windmühlen, Frank. Unsere Gegner sind viel zu stark. Vielleicht sollte Tschistokjow erst einmal weiter sein eigenes Land aufbauen, bevor er versucht, sich in Russland auszubreiten“, antwortete Julia.
„Davon verstehst du nichts!“, knurrte Frank und sah die junge Frau erbost an.
„Ach, nein? Vielleicht sollte er erst einmal den Menschen helfen, bevor er wieder irgendwo kämpft!“, fügte sie verständnislos hinzu.
„Dein Vater sagt auch, dass wir weiter nach Russland hinein müssen“, erwiderte der Rebell und hob den Zeigefinger.
Julia winkte ab und sprach: „Mein Vater, der ist doch schon lange mit dem Kopf in den Wolken. Ich würde mir jedenfalls wünschen, wenn endlich einmal Frieden wäre.“
„Ich würde mir das auch wünschen, aber es geht halt nicht!“, zischte Frank wütend.
Julia wurde jetzt ebenfalls gereizter und machte Kohlhaas weiter Vorwürfe.
„Ich glaube manchmal nicht, dass du dir auch Frieden wünschst, Frank! Du bist mit so einem Eifer dabei und …“
Der Rebell unterbrach sie barsch: „Doch! Ich will auch in Frieden leben, aber unsere Feinde werden uns nicht in Ruhe lassen! Sei doch realistisch!“
„Und wenn ihr es einmal ausnahmsweise mit Verhandlungen versuchen würdet?“, schlug sie vor.
Frank lächelte sie nur abfällig an und machte den Eindruck, als ob er sie nicht ganz ernst nähme.
„Verhandeln?“, murrte er leise. „Das kannst du ja mal ausprobieren, Julia …“
Nun stellte sich die Tochter des Außenministers zornig vor ihren Freund und sah ihm tief in die Augen. Dieser versuchte ihrem stechenden Blick auszuweichen und machte ein grimmiges Gesicht.
„Was?“, stieß Frank aus.
„Ich würde es ausprobieren!“, sagte Julia energisch.
Kohlhaas antwortete mit einem Kopfschütteln und ging davon.
„Fehlen dir jetzt die Worte, großer General?“, höhnte sie verärgert.
„Halt die Klappe und kümmere dich um deine Grundschulkinder, Mädchen! Du hast überhaupt keine Ahnung, mit wem wir es hier zu tun haben“, konterte Frank.
„Ja, geh nur, großer Held! Auf zu neuen heroischen Taten! Ich verspreche dir auch, dass ich ab und zu nach deinem Grab sehen werde, General!“, schrie Julia.
Kohlhaas würdigte sie keines Blickes mehr und ließ sie einfach stehen. Die Tochter des Dorfchefs starrte ihm schweigend hinterher, bis er aus ihrem Blickfeld verschwunden war.
Frank kehrte Ende Januar wieder nach Minsk zurück und hörte sich Tschistokjows Pläne für die Zukunft an. Laut dem Rebellenführer, der sich wieder halbwegs gefasst hatte, gab es für sie alle keine andere Möglichkeit, als weiter zu machen und mit Mühe und viel Überzeugungskraft konnte
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