Beutewelt 04 - Die Gegenrevolution
versucht, doch in diesen Stunden gelang es ihm nicht. Seine geistigen Scheuklappen, die er sich selbst verpasst hatte, waren für einen Moment abgefallen, so dass er es diesmal nicht verhindern konnte, über sich und sein Leben nachzudenken.
Er hatte nicht zuletzt Julias Bild vor Augen und machte sich Vorwürfe, weil er sie in letzter Zeit so sträflich vernachlässigt hatte. Frank hätte sie haben können und er liebte die junge Frau aus ganzem Herzen, doch er war immer fort. Heute schlief er in Pskov, einer ihm vorher vollkommen unbekannten Stadt in Russland, und wartete darauf, mit seinen Männern in Nowgorod einzurücken. Nowgorod selbst war ihm bisher ebenfalls vollkommen fremd.
„Am Ende haben alle etwas von mir und ich habe von allen nichts“, dachte er sich und wälzte sich unruhig in seinem Schlafsack herum. Mit dieser Aussage hatte er nicht Unrecht und es schmerzte ihn, sich das eingestehen zu müssen. Am morgigen Tag wollte er Julia allerdings auf jeden Fall anrufen und freute sich schon darauf, wieder ihre Stimme zu hören.
Doch so war es bereits in Japan gewesen, als er an der Sapporo-Front gestanden hatte und so würde es immer weiter gehen, wie er fürchtete. Traurig und frustriert lag Frank da und seufzte in sich hinein. War das der Preis seines angeblichen Heldentums? War er denn überhaupt so heldenhaft, wie er manchmal glaubte? Vielleicht erwies sich schon morgen alles als Illusion, als Seifenblase, die zerplatzte und von der nichts übrig bleiben würde…
Artur Tschistokjow, der in diesen Tagen mehr Feldherr als Staatsmann war, und seine Männer nahmen Nowgorod ein. Diesmal verlief alles unblutig. Die Kollektivisten leisteten keinen Widerstand und der größte Teil der Polizisten lief zu den Rus über. Die motorisierte Elitetruppe der Waräger und die entschlossenen Ordnertrupps mit ihren Pistolen und Sturmgewehren wirkten heute abschreckend genug auf ihre Feinde. Die gewöhnlichen Bürger jubelten und erhofften sich endlich Ordnung und Frieden. Schüchtern hingen einige Russlandfahnen aus ihren Häusern und erleichterte Frauen warfen den Rus Blumensträuße zu. Ungeduldig schob sich das Volk durch die Hauptstraßen, um den Rebellenführer aus Weißrussland zu erblicken.
Vor den Kollektivisten schienen viele der Einwohner Nowgorods hingegen Angst zu haben und sahen in Tschistokjow, der schließlich vor 70.000 Menschen eine flammende Rede hielt, einen Beschützer und Befreier.
Frank und Alf atmeten am Ende dieses Tages auf. Es hatte heute keine Kämpfe gegeben und von den kollektivistischen Gegnern war nichts mehr zu sehen.
In den eingenommenen Städten Westrusslands blieben sowohl Soldaten der Volksarmee der Rus als auch Ordnertrupps zurück, um die Stellung zu halten. Ihre Führung übernahm jeweils ein von Artur Tschistokjow ausgewählter Funktionär der Freiheitsbewegung.
Die Besetzung der grenznahen Städte im Westen war ein erster Erfolg, doch angesichts der Tatsache, dass die Kollektivisten den übrigen Teil Russlands mit jedem weiteren Tag ein wenig mehr in ihre Gewalt brachten, war er kaum erwähnenswert.
Mitte Oktober kam Uljanin nach Moskau und brachte seine Leute auf Vordermann. Zahlreiche Kundgebungen und Aufmärsche, Meere von schwarz-roten Fahnen und aufgebrachte Massen erschütterten die Hauptstadt und ihre über 16 Millionen Einwohner. Gelegentlich versuchte die russische Polizei noch, entgegen ihrer Befehle von oben, die Kollektivisten in Schach zu halten und wehrte sich. So brachen in Moskau am 20. Oktober Barrikadenkämpfe aus und etwa 50000 Mitglieder der KVSG begannen auf die Polizei loszugehen. Es folgte eine wütende Auseinandersetzung, die sich bis tief in die Nacht hinzog und einige Menschenleben forderte. Nicht ein GCF-Soldat wurde zum Schutz Moskaus abgestellt und nicht ein Panzer oder Skydragon war zu sehen. Die Verbände der internationalen Streitkräfte hatten sich längst zurückgezogen und ließen die unglücklichen Polizisten, auf die jetzt die Wut der Kollektivisten herniederschlug, einfach im Stich. Letztendlich kapitulierten die Beamten vor Uljanins Anhängern und überließen seinen KKG-Trupps die Straßen der russischen Metropole.
Kuluga und Tula im Süden Moskaus wurden ebenfalls von der schwarz-roten Revolution überrannt, während sie sich auch in Moskau weiter wie ein Lauffeuer ausbreitete. Die Mitglieder der KVSG warteten jetzt nur noch auf Uljanin, der seine Machtübernahme den Massen persönlich verkünden wollte und noch bis zum 25.
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