Beutewelt 04 - Die Gegenrevolution
konnte er sich selbst in der schlimmsten Feuerhölle verlassen. Kohlhaas klopfte ihm lächelnd auf die Schulter und stierte dann schweigend auf den Boden.
„Nur nicht so missmutig, Alter!“, sagte er schließlich.
Bäumer blickte ihn an. „Ich bin nicht missmutig, nur noch ein wenig müde. Ich döse am besten noch ‘ne Runde …“
Der Hüne sank in sich zusammen und schloss die Augen. Frank wunderte sich wieder einmal, wie Alf die Nerven haben konnte, vor einer solchen Aktion noch ein Nickerchen zu machen. Der General schüttelte den Kopf und schmunzelte zugleich in sich hinein. So war Bäumer eben und das mochte er an seinem Freund. Der kräftige Deutsche war heute so wie er sonst auch immer war. Alf blieb eine Konstante in dieser ansonsten so unbeständigen Welt, dachte sich Kohlhaas. Die Kolonne der Lastwagen kam St. Petersburg derweil langsam näher. Dieser Tag roch wieder nach Blut.
Auch die Kollektivisten waren nicht unvorbereitet geblieben. Sie wussten, dass ihre Feinde heute anrücken und versuchen würden, St. Petersburg in ihre Gewalt zu bringen. Allerdings waren sie sich noch über die Stärke ihrer Gegner im Unklaren. Schon in der vorherigen Nacht hatten sie daher einige wichtige Gebäude sicherheitshalber selbst mit KKG-Männern besetzt.
Die örtlichen Fernseh- und Radiostationen waren von ihnen ebenfalls in einer Nachtaktion in ihre Gewalt gebracht worden und seit heute morgen sendeten sie pausenlos Aufrufe an die Bevölkerung, sich unter der schwarz-roten Fahne in der Innenstadt zu versammeln. Theodor Soloto setzte nun auch alles auf eine Karte und gab die Losung aus, St. Petersburg an diesem Tag endgültig für den Kollektivismus zu erobern.
Waren die bisherigen Zusammenstöße noch eher Straßenkämpfe gewesen, so war das, was sich in den Gassen der zweitgrößten Stadt Russlands nun anbahnte, bereits richtiger Bürgerkrieg.
Die Anhänger Tschistokjows kamen per Zug, mit dem PKW oder Lastwagen. Zu Tausenden strömten sie von allen Richtungen in die Metropole hinein. Die St. Petersburger Ortsgruppe versammelte ihre Leute derweil in den südlichen Vororten der Großstadt auf den Straßen und Plätzen. Die Kämpfer der Rus hatten sich, ebenso wie die Kollektivisten, mit allem Möglichen bewaffnet. Wer keine Schusswaffe besaß, der griff sich einen Knüppel oder etwas anderes. Die Warägergarde drang hingegen um 8.00 Uhr morgens zuerst in die Südstadt ein und wurde sofort in ein Scharmützel verwickelt. Aus irgendeiner Nebengasse flogen ihnen Kugeln entgegen, sie feuerten zurück und schlugen einen kleinen Trupp ihrer Gegner in die Flucht. Dann ging es weiter voran.
Mehrere Einheiten der Volksarmee der Rus folgten ihnen und besetzten wichtige Bahnhöfe und Knotenpunkte, dann marschierten sie durch die Straßen in Richtung Innenstadt.
Artur Tschistokjow sah sich um und musterte die zahlreichen Ordner in ihren grauen Hemden und schwarzen Hosen, während jubelnde Einwohner aus ihren Wohnhäusern kamen, Russlandfahnen schwenkten und sich ihrer wachsenden Schar anschlossen.
Der weißrussische Präsident, Peter Ulljewski und viele führende Funktionäre der Freiheitsbewegung hatten sich bereits im Morgengrauen im Westen St. Petersburgs getroffen.
„Glaubst du, dass wir es heute schaffen?“, fragte Tschistokjow seinen Freund Peter verunsichert.
„Ortsgruppenleiter Lebed sagt, dass die Kollektivisten gut vorbereitet zu sein scheinen. Sie haben selbst schon einige Gebäude besetzt, unter anderem das Medienviertel“, antwortete Ulljewski und wirkte nervös.
„Wir warten noch auf weitere Männer. Dann ziehen wir in die Innenstadt“, erklärte der Anführer der Rus.
Peter verschwand in der Menge und wies die Ordner an, sich zu formieren. Heute durften ihnen keine Fehler unterlaufen.
„Achtung! Achtung! Bürger von St. Petersburg! Hier spricht Theodor Soloto von der KVSG! Heute wollen die Mörderhorden Tschistokjows unsere Heimatstadt erobern! Helft uns, sie zurückzuschlagen! Helft uns, die kollektivistische Revolution auch hier in St. Petersburg durchzusetzen! Wir bringen Euch Freiheit und Gerechtigkeit! Unterstützt die St. Petersburger KVSG! Großkundgebung! Heute um 13.00 Uhr im Sommergarten! Kommt alle!“
Frank schaltete das Radio ab und sah Alf besorgt an. „Ein Überraschungsangriff wird das jetzt jedenfalls nicht mehr.“
„Verflucht!“, fauchte Bäumer und klammerte sich an seine Maschinenpistole.
Auf einmal stoppte die Lastwagenkolonne, denn eine Barrikade versperrte
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