Beutewelt 05 - Bürgerkrieg 2038
2039 wurden zahlreiche Industriekomplexe rund um Nowopolozk und Minsk zerstört. Uljanin hoffte, auf diese Weise Tschistokjows Aufrüstung zu behindern.
Die japanische Armee hatte inzwischen bei Aldan im Norden der Mongolei eine weitere Entsatzstreitmacht der Kollektivisten zurückgeschlagen und rückte mit einem Heer von knapp 400.000 Mann weiter nach Westen vor. In Absprache mit Artur Tschistokjow und Außenminister Wilden sollten die ostasiatischen Verbündeten auf dem beschwerlichen Landweg bis nach Irkutsk und Krasno-Jarsk im Süden Sibiriens vorstoßen und diese Städte einnehmen.
Wilden war es weiterhin gelungen, Kontakt zu einigen afghanischen und iranischen Rebellengruppen herzustellen, die ihm versprachen, auf eigene Faust Trupps zusammenzustellen und die Kollektivisten in Kasachstan und Kirgisien anzugreifen. Als Gegenleistung sagte ihnen der weißrussische Außenminister eine zukünftige Unterstützung in Form von Geld und Waffenlieferungen zu. Uljanins Soldaten hatten in den letzten Wochen ihre ständigen Angriffe auf die von den Rus kontrollierten Regionen in Westrussland nach mehreren Niederlagen erst einmal eingestellt und auch wenn man es in den Reihen der KVSG-Führung nicht offen aussprach, so war die schwarz-rote Armee durch den Einsatz der unerklärlichen Waffen stark verunsichert worden. Damit hatte Artur Tschistokjow genau die psychologische Schockwirkung erreicht, die er sich erhofft hatte.
Die kurze Ruhephase, welche Uljanin zur weiteren Vorbereitung seiner Großoffensive nutzte, verschaffte auch den Rus etwas mehr Zeit, die eigene Position auszubauen und zu festigen.
Frank und Alfred hatten die Erlaubnis bekommen, die Front für einige Tage zu verlassen und waren nach Minsk zurückgekehrt. Julia hatte inzwischen eine Wohnung in der weißrussischen Hauptstadt bezogen und lebte nun endlich mit Frank zusammen. Demnach standen einige Renovierungsarbeiten an, bei denen Alf und seine Freundin Svetlana eifrig mithalfen.
Trotz allem war Kohlhaas die Rolle des fürsorglichen Familienvaters nach wie vor wenig vertraut. Doch wenn ihm der kleine Friedrich mit seinen winzigen, zarten Fingerchen über die Wange strich, vergaß er für kurze Zeit den Schmerz der Welt und lächelte glücklich in sich hinein.
Am liebsten hatte es der Kriegsheld, wenn Friedrich in seiner Wiege lag, die Beine nach oben streckte und sich an der sanften Melodie einer kleinen Spieluhr erfreute. Dabei quiekte er immer glücklich, während die großen, blauen Babyaugen seinem Vater entgegenleuchteten.
„Ich würde ja gerne mehr Zeit mit dir verbringen, mein Kleiner, aber Papa muss dafür kämpfen, dass dir die Weltregierung nicht eines Tages einen vergifteten Chip implantiert, Friedrich!“, flüsterte Frank seinem kleinen Spross manchmal leise zu.
Doch diese Dinge waren noch viel zu hoch für den kleinen Säugling und das neugeborene Kind ahnte nichts von der sie alle umgebenden Boshaftigkeit der Welt und dem alptraumhaften Zeitalter, in das es hineingeboren worden war.
„Ich kämpfe doch auch für ihn. Damit Friedrich als freier Mann leben kann und nicht als Sklave endet“, sagte Frank gelegentlich zu seiner Julia. Doch diese konnte solche Sprüche längst nicht mehr hören. Sie hoffte nur, dass der kleine Mensch nicht eines Tages doch ohne Vater aufwachsen musste.
Artur Tschistokjow hatte die Psychologie von Menschenmassen jahrelang intensiv studiert. Als erfahrener Redner und Anführer waren ihm die Instinkte und Emotionen der Menge bekannt und er wusste damit umzugehen. Am 12. Oktober des Jahres 2039 führte er die größte Massenveranstaltung seiner bisherigen Laufbahn als Politiker durch und sprach in Minsk vor mehreren hunderttausend Menschen, die aus ganz Weißrussland, dem Baltikum und dem westlichen Teil Russlands zu diesem gewaltigen Spektakel gekommen waren.
Die Freiheitsbewegung der Rus nannte die Veranstaltung den „Tag der Freiheit“ und es war ein gigantisches Volksfest, das von zahlreichen kleineren Kundgebungen und langen Paraden begleitet wurde. Das weißrussische Fernsehen und die von den Rus kontrollierten Presseorgane hatten seit Wochen die Werbetrommel dafür gerührt und als Tschistokjow schließlich zu seinen Anhängern sprach, platzten die Hauptstraßen von Minsk aufgrund des Massenandrangs aus allen Nähten.
„Artur Tschistokjow – Erretter und Erlöser unseres Volkes!“, verkündete ein riesiges Transparent über der Rednerbühne auf dem Platz vor dem Präsidentenpalast. Daneben
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