Beutewelt 05 - Bürgerkrieg 2038
Dahinter lag der prunkvolle Konferenzraum des Hotels. Der Kollektivistenführer war nach London geflogen, um einigen Mitgliedern des Rates der 300 und dem Weltpräsidenten selbst bezüglich seines revolutionären Kampfes in Russland Rede und Antwort zu stehen.
Die Tür öffnete sich und Dutzende von Augenpaaren starrten den spitzbärtigen Mann mit unterschwelliger Missgunst oder gar offener Häme an. Uljanin ließ sich auf dem Stuhl in der Mitte des Raumes nieder. Er schluckte.
„Willkommen, Bruder Uljanin!“, begrüßte ihn der Weltpräsident und sah ausdruckslos auf ihn herab.
Der KVSG-Chef nickte und bemühte sich dem unangenehmen Blick des Vorsitzenden des Weltverbundes irgendwie auszuweichen.
„Die anderen Mitglieder des Rates der Weisen haben mich als Vertreter der obersten Instanz unserer Organisation heute hier nach London geschickt. Ansonsten sind viele andere, erlauchte Brüder aus dem Rat der 300 anwesend, wie Sie ja sehen können. Nun, kommen wir auf den Punkt, Bruder Uljanin. Was gibt es Neues von der russischen Bürgerkriegsfront zu berichten?“
Uljanin blickte sich verunsichert um und erwiderte: „Unsere Großoffensive gegen Tschistokjow war zwar nicht so erfolgreich, wie wir gehofft hatten, aber die Militärstreitmacht der Rus kann jetzt als vernichtet angesehen werden!“
Ein leises Tuscheln ertönte hinter den langen Konferenztischen, während der Weltpräsident ein kaltes Lächeln aufsetzte.
„Das haben Sie sehr schön ausgedrückt, Bruder Uljanin! Also waren Sie doch erfolgreich?“
„Nun, ja! Nicht direkt!“
„Also waren Sie „indirekt erfolgreich“? Sozusagen …“, stichelte der zweithöchste Logenbruder aus dem Rat der 13.
Einige der Anwesenden stießen ein lautes Lachen aus, andere murmelten sich gegenseitig etwas zu.
„Der Widerstand der Rus dürfte kaum noch lange anhalten, Herr Weltpräsident!“, flüsterte Uljanin nervös.
„Bitte? Reden Sie doch lauter, Bruder! Wir können Sie ansonsten so schlecht verstehen!“, bat das Ratsmitglied mit einem Anflug von Ironie.
„Die Rus sind am Ende!“, sagte Uljanin verärgert. „Das wollte ich sagen!“
„Das wollte ich sagen!“, äffte ihn der Weltpräsident nach. „Nun, ich sehe das etwas anders. Tschistokjow ist immer noch da und die schwarz-rote Armee hat sich unter sehr großen Verlusten wieder nach Osten zurückgezogen, nicht wahr? Oder bin ich da falsch informiert worden, Bruder Uljanin? Vielleicht habe ich aber auch nicht Ihr strategisches Talent und Ihre Weitsicht. Schätze ich die Lage etwa falsch ein?“
Der Kollektivistenführer starrte wie ein Schuljunge, den man mit einem Spickzettel bei einer Klassenarbeit erwischt hatte, auf den Boden und schwieg.
„Es ist doch eine nachweisbare Tatsache, dass Sie trotz aller Mittel, die Ihnen der Weltverbund zur Verfügung gestellt hat, die schwarz-rote Revolution noch immer nicht zum Sieg haben führen können, Bruder Uljanin! Was wollen Sie denn noch? Noch mehr Geld? Noch mehr Unterstützung durch die GCF?“, giftete der Weltpräsident.
„Diese Rus sind eben sehr hartnäckige Gegner und mit den wenigen GCF-Truppen, die wir als Unterstützung bekommen haben …“, stammelte Uljanin.
„Wenige Truppen? Es waren über 250.000 Mann! Was erwarten Sie denn? Dass wir sämtliche Besatzungstruppen aus aller Herren Länder abziehen, um sie nach Russland zu schicken? Die wertvollen GCF-Soldaten benötigen wir derzeit woanders, beispielsweise in Indien, wo das halbe Volk vor sich hin verreckt und Aufstände drohen. Wir haben Ihnen doch Waffen, Panzer, Artillerie und Flugzeuge zur Verfügung gestellt. Das hat uns viele Milliarden Globes gekostet, aber trotz Ihrer deutlichen Übermacht an Menschen und Material haben Sie kläglich versagt, Bruder Uljanin.“
„Ich werde eine zweite Großoffensive vorbereiten und Tschistokjow dann endgültig vernichten!“, versprach der Kollektivistenführer.
„Diese Ausflüchte hören wir bereits seit Monaten und noch immer sind unsere Feinde nicht ausgelöscht!“, knurrte das Ratsmitglied. Die anderen Anwesenden nickten.
„Wir werden siegen …“, kam zurück.
„Verschonen Sie uns mit diesem Gerede, Bruder Uljanin!“, fauchte der Weltpräsident wütend dazwischen.
„Dann geben Sie mir wenigstens die Erlaubnis, einen Nuklearwaffenstützpunkt in Sibirien zu errichten, damit ich Minsk mit Atombomben zerstören kann“, bettelte der KVSG-Chef.
Der Weltpräsident stockte, um dann zornig die Zähne zu fletschen. „Wie bitte?
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