Beutewelt 06 - Friedensdämmerung
haben Seite an Seite gekämpft, so viele Jahre lang. Ich kann nicht verstehen, was du da tust!“
„Ich will damit Frieden schaffen, Peter!“
„Du wirst damit erneut Sklaverei schaffen und alles zerstören, wofür du gekämpft hast, Artur. Russland und Europa werden untergehen. Du lässt dich von ihnen kaufen, das ist alles.“
„Habe ich das jemals, Peter?“, fragte Tschistokjow ruhig.
„Ja, im Moment bist du auf dem besten Wege dorthin. Wieso bist du so geworden? Was ist mit dir passiert? Ich hätte mich jederzeit für dich erschlagen lassen, aber heute weiß ich nicht mehr, was ich von dir halten soll!“, wimmerte Ulljewski, seine Augen füllten sich mit Tränen.
„Beruhige dich, alter Freund!“, sagte Tschistokjow leise und klopfte seinem Gefährten auf die Schulter.
„Viele führende Mitglieder der Rus reden nicht mehr gut über dich, sie verlieren ihr Vertrauen in deine Führung, Artur. Lass es dir gesagt sein. Es ist so! Du gehst einen Pakt mit dem Teufel ein. Diesen Schweinen kann man nicht trauen, und wer ihnen traut, den führt dieser Irrweg in die Hölle!“
Artur Tschistokjow hielt sich den Kopf und schwieg. Dann schlich er deprimiert hinter seinen Schreibtisch und setzte sich auf seinen Stuhl.
„Verkaufe deine Heimat nicht für ein Linsengericht, Artur!“, flehte ihn Peter Ulljewski an, während ihm dicke Tränen über die von Narben gezeichneten Wangen liefen.
„Das werde ich nicht, Peter! Niemals! Du musst mir nur vertrauen und weiterhin an mich glauben. Mehr verlange ich nicht“, sagte Tschistokjow leise. Dann reichte er seinem Freund ein Glas Wasser.
So wie Peter Ulljewski erging es auch Wilden, General Kohlhaas und der überwiegenden Mehrheit der politischen Funktionäre der Freiheitsbewegung. Immer lauter und offener wurde die Kritik an Artur Tschistokjow, und als im Juli schließlich ein Ableger der North American Exchange Bank in Moskau eröffnet wurde und die ersten geschäftstüchtigen Logenbrüder nach Russland kamen, wurde es noch schlimmer. Die neuen Gäste rückten mit lautem Getöse, überquellenden Brieftaschen und glänzenden Luxuslimousinen an, sofort die vielen, neuen Geschäftsmöglichkeiten witternd, die ihnen Tschistokjows Russland zu bieten hatte.
Viele Russen standen ihnen mit offenem Hass gegenüber, doch Tschistokjow betonte gegenüber der Weltregierung, dass diese feinen, reichen Herren unter seinem besonderen Schutz ständen und ließ diese gewähren. Frank und Alfred konnten es nicht fassen und bezeichneten ihren alten Freund offen als Verräter und „gekauften Gockel“, so dass dieser ihnen in einem internen Gespräch derartige Aussagen mit aller Schärfe untersagte.
Ähnlich erging es Wilden, der mit Tschistokjow mehrfach bei öffentlichen Anlässen in Streit geriet. Doch der russische Souverän setzte seine neue Politik ohne nach links und rechts zu sehen fort, ignorierte weiterhin die harsche Kritik seiner Getreuen. Der Weltverbund und dessen Medienorgane feierten ihn hingegen als „guten Geschäftspartner“ und da es galt, Handel zu treiben und Geld zu scheffeln, gerieten die weltanschaulichen Gegensätze immer schneller in Vergessenheit.
Haruto Mastumoto, der japanische Präsident, war mittlerweile ebenfalls ein wenig auf Distanz zu Tschistokjow gegangen und schien ihm langsam zu misstrauen. So offen wie sein Bündnispartner, fiel er den Logenbrüdern nicht um den Hals und dachte auch nicht daran, Kredite vom Weltverbund anzunehmen und sein Land damit zu verschulden.
Derweil widmete sich das russische Staatsoberhaupt intensiver denn je dem Wiederaufbau der nationalen Wirtschaft und eröffnete eine neue Fabrik nach der anderen, weihte neue Bauprojekte ein oder förderte die Landwirtschaft.
Russische Exportgüter konnten nun auch in Übersee verkauft werden und die aufblühende Industrie produzierte zugleich immer modernere Maschinen und diverse andere, überall begehrte Waren.
Insgesamt ging es den Russen jetzt zweifellos besser denn je und die mit Tschistokjows neuer Bevölkerungspolitik verbundene Förderung hochbegabter Kinder, die an speziellen Akademien ausgebildet wurden, zog schon die nächste Generation von hochqualifizierten Wissenschaftlern, Ingeneuren und Erfindern heran.
Hunderte neuer Straßen wurden außerdem mit dem geliehenen Geld des Global Bank Trust gebaut, was in Russland zu einer deutlich verbesserten Infrastruktur führte. Die große Masse des Volkes liebte den russischen Staatschef für die Segnungen eines
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