Beutewelt 06 - Friedensdämmerung
Phrasen herausgestellt.
Gestern wollte er uns noch vernichten, heute nimmt er dankbar unsere Kredite an. Was ist das bloß für ein Rebellenführer, habe ich mich immer wieder gefragt“, höhnte der Oberste der Weisen.
„Wie uns die GSA berichtet, ist Tschistokjow ganz mit dem Aufbau seines Landes beschäftigt und hat seine kriegerischen Pläne uns gegenüber auf Eis gelegt. Ob er wirklich den Frieden will oder sich nur selbst der Illusion hingibt, dass er mit der Zeit noch stärker wird, spielt für uns dabei nur eine untergeordnete Rolle. Er wird nämlich nicht stärker werden, sondern nach und nach seine revolutionäre Schlagkraft verlieren, je mehr wir ihn mit unserem Geld und unserem Wohlwollen fett und zufrieden machen.“
Wieder ertönte lauter Applaus, doch der Vorsitzende wies seine Getreuen mit einer kurzen Handbewegung an, ihn nicht zu unterbrechen.
„Über 200 Milliarden Globes schuldet Tschistokjow dem Weltverbund bereits und wir werden ihm noch weitere Kredite gewähren. Bald schon wird sich der Nationenbund der Rus in einer derartigen Schuldenfalle befinden, dass er uns jeden Wunsch erfüllen muss, um zu überleben. Es ist unsere alte Strategie und sie wird auch hier wieder erfolgreich sein. Weiterhin haben wir jetzt die Zeit, einen Angriff gegen diesen Mann vorzubereiten, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. Wir sind ihm nicht nur mit unserem Atomwaffenarsenal überlegen, sondern werden ihm auch bald Heere von gewaltiger Schlagkraft und Größe entgegenstellen.
Ich habe bereits die ersten Neuaushebungen von GCF-Truppen angeordnet, denn demnächst wird eine Aufrüstung riesigen Ausmaßes erfolgen. Bisher war Tschistokjow neben Matsumoto der Einzige, der nicht nur unsere Pläne durchschaut hat, sondern auch eine gefährliche Machtposition errungen hat.
Diese Machtposition scheint er aber jetzt für ein paar Milliarden Globes und unser Geschwätz vom Frieden wieder langsam aufzugeben. Bevor ich gleich zu den äußerst wichtigen Themen der Implantationschips und der fortgesetzten Zwangsregistrierungen übergehe, möchte ich noch einmal betonen, dass der oberste Rat die Situation in Russland als sehr erfreulich betrachtet. Ihr alle, meine Brüder, könnt sicher sein, dass der große Plan weder von Artur Tschistokjow, noch von sonst jemandem aufgehalten werden kann. Wir sind die auserwählten Herren dieser Erde und so wird es auch bleiben!“
Ein siegessicheres Raunen ging durch die Halle des Logenhauses, nachdem der oberste Weise diese letzten Worte ausgesprochen hatte, und die versammelten Spitzen der weltweiten Geheimorganisation lauschten gespannt der Rede ihres Meisters, der die nächsten Schritte zur noch perfekteren Versklavung der Völker präsentierte.
Alfred Bäumer tigerte aufgeregt durch den Kreissaal des Krankenhauses von Minsk und steckte sich eine Zigarette nach der anderen an. Er entsprach damit ganz dem Bild des nervösen Vaters vor der Geburt seines ersten Kindes und Frank, der ihn heute zu Svetlanas Entbindungstermin begleitet hatte, konnte sich ein gelegentliches Lachen nicht verkneifen. Svetlanas Mutter Karina war ebenfalls anwesend, sie schwieg nachdenklich. Ab und zu versuchte auch sie Alf zu besänftigen, doch dieser ließ sich von niemandem aus der Unruhe bringen.
„Warum holt mich der Arzt nicht rein?“, murmelte Bäumer und setzte sich kurzzeitig wieder auf einen Stuhl, um dann erneut durch die Gegend zu laufen.
„Nun beruhige dich mal, Alf! Da klappt schon alles…“, sagte Frank leise, doch sein Freund huschte weiter von einer Wand des Kreissaals zur anderen.
„Gleich müsste es doch soweit sein, oder?“
„Ja, Alf! Bleib ruhig!“
„Ich habe jetzt einen Artikel über Totgeburten gelesen. Das passiert doch heute nicht, oder?“
„Nein, natürlich nicht! Warum liest du auch so eine Scheiße?“
Der Hüne kam schließlich vor seinem Freund zum Stehen, blickte ihm tief in die Augen. „Hältst du mich für komisch, Frank?“
Kohlhaas räusperte sich leise und grinste dann. „Nein, ich kann dich ja verstehen, aber mach dich doch nicht verrückt. Es geht heute alles gut.“
Es verging noch eine unruhige halbe Stunde bis endlich ein Arzt die Tür öffnete und Alf und Karina zu sich rief. Bäumer gaffte den Mediziner mit weit aufgerissenen Augen an. Dann rannte er Mutter Karina beinahe über den Haufen. Schließlich stand auch Frank von seinem Stuhl auf und folgte den beiden.
„Was ist, Herr Doktor? Alles klar? Geht es Svetlana und dem Baby gut?“,
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