Beutewelt 06 - Friedensdämmerung
einen Platz auf der Titelseite. Die anderen Medien zogen nach. Schlagzeilen wie „Artur Tschistokjow – Vom Revolutionär zum Lebemann“ oder „Tschistokjow gesteht: Ich stehe auf geile Russenmodels!“ prasselten tagelang auf die sensationsgierige Weltöffentlichkeit ein.
Zwar entschuldigte sich der russische Präsident bei seinen Mitstreitern und Anhängern mehrfach für das leicht obszöne Foto, doch stand Tschistokjow nun einer Welle der Kritik in den eigenen Reihen gegenüber, die dazu führte, dass er sich tagelang in seinem Büro verkroch.
Zwar störte die Affäre die Masse der Russen und Ukrainer weniger, aber Tschistokjows engste Weggefährten waren außer sich vor Wut und Enttäuschung.
Die Logenbrüder schienen hingegen äußerst zufrieden zu sein, dass der einst so willensstarke und gefährliche Revolutionär mittlerweile offenbar mehr Interesse an langbeinigen Girls als an der Befreiung Europas hatte.
Langsam wirkte es ganz so, als wäre er in den Kreis derer aufgestiegen, die zwar Macht hatten, aber ansonsten harmlose, politische Gestalten waren. Bald verniedlichten ihn die Medien gar zu einem geläuterten „Ex-Störenfried“ innerhalb der Weltgemeinschaft und die zur „Sexaffäre“ umgedeutete Foto-Geschichte trug vor allem außerhalb der Grenzen des Nationenbundes dazu bei, dass der russische Souverän das Image eines inzwischen satt und träge gewordenen Politikers erhielt.
Derweil formierte sich Widerstand in den Reihen der Freiheitsbewegung und Tschistokjow hatte größte Mühe, die unter der Oberfläche kochenden Wut noch im Zaum zu halten. Schließlich wurden erste Rücktrittsforderungen laut, die er allerdings einfach ignorierte. Die Revolutionsbewegung wurde in diesen Tagen von einem Sturm des Unmuts erschüttert, während sich die Millionenheere der Weltregierung fernab von Europa versammelten, um gegen Russland und Japan einen Angriff nie gekannten Ausmaßes zu unternehmen.
„Dieser Tschistokjow ist auf dem besten Weg sich endgültig zum Affen zu machen!“, lachte der Weltpräsident und die Logenbrüder um ihn herum grinsten zufrieden, als er die Titelseite des New Star Magazins hochhielt. Darauf konnte man den russischen Staatschef sehen, der breit in die Kamera grinste und ganz einem feierfreudigen, neureichen Lebemann glich.
„Ist das die aktuelle Story?“, fragte einer der Weisen des obersten Rates. Er schmunzelte.
„Ja!“, sagte der Weltpräsident. „Unser Freund hat sich mal wieder mit einem Sektglas in der Hand vor seinem neuen Sportwagen ablichten lassen. Lächerlich, nicht?“
Der Vorsitzendes des Rates der 13 hielt sich ebenfalls den Bauch vor Lachen und bemerkte: „Es geht ihm halt gut. Gestern war er noch ein verarmter, kleiner Hund und heute ist er Millionär. Er hat eine prächtige Villa, teure Karossen und vögelt gerne russische Models. Vielleicht kommt er schon morgen zu uns gekrochen, gliedert seinen Nationenbund der Rus wieder dem Weltverbund an und bettelt, dass wir in zum Gouverneur von Europa-Ost machen.“
„Würden wir es tun?“, wollte ein ergrauter Milliardär wissen.
„Aber natürlich! Aus einem guten Freund machen wir meistens schnell einen treuen Diener des großen Plans“, erwiderte der Vorsitzende und verzog seine wulstigen Lippen.
Der Weltpräsident hob die Hand und verlangte zu sprechen. „Lassen wir die Scherze! In absehbarer Zeit müssen unsere Armeen bereitstehen, um Tschistokjow und Matsumoto vom Antlitz der Erde zu fegen. Die jüngsten GSA-Studien berichten uns nur wenig von russischen und japanischen Rüstungsvorbereitungen. Weiterhin haben unsere Spitzel, die die Führungsspitze der Freiheitsbewegung inzwischen recht gut infiltriert haben, fast übereinstimmend berichtet, dass Artur Tschistokjow wirklich an unseren Willen zum Frieden glaubt.“
„Und es gibt keine gegenteiligen Aussagen?“, erkundigte sich ein Logenbruder verwundert.
„Nein, jedenfalls keine sonderlich besorgniserregenden…“, erklärte das Oberhaupt des Weltverbundes.
„Wirklich nicht?“, hakte das Ratmitglied nach.
„Die GSA hat beispielweise einige E-Mails zwischen Außenminister Wilden und Artur Tschistokjow abfangen können und in diesen E-Mails kritisiert der Deutsche den Anführer der Rus aufgrund seiner nicht mehr sehr revolutionären Haltung. Das Interessante ist, dass Tschistokjow ihm gegenüber seinen Friedenskurs in jedem Satz verteidigt, ständig betonend, dass er keineswegs an die Notwendigkeit einer weiteren Aufrüstung gegen
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