Beutewelt 06 - Friedensdämmerung
dich jemals enttäuscht?“
„Ja, und das habe ich dir auch schon oft genug gesagt!“, schnaubte Ulljewski.
„Russland wird nicht untergehen“, sagte Artur Tschistokjow. Er erhob sich aus seinem Bürosessel.
„Leck mich doch!“, zischte ihm Peter Ulljewski entgegen und verließ den Raum.
„Kredite für den Frieden!“, las Frank laut vor, den Bildschirm seines Computers mit zornigem Blick fixierend.
„Langsam wird die Sache wirklich haarig“, kommentierte Bäumer den Leitartikel einer großen westeuropäischen Zeitung.
Kohlhaas durchfrostete weiter die Online-Ausgabe des Blattes und hielt sich nach einer Weile den Kopf. Dann murmelte er: „Die neue Wirtschaftspolitik des Nationenbundes der Rus erfreut vor allem die Banken an der Wallstreet. Viele führende Bankhäuser haben sich inzwischen bereiterklärt, mit Artur Tschistokjow als einem Freund und Geschäftspartner zusammen zu arbeiten – zum Wohle Russlands…“
„Hör mir mit diesem Mist auf! Da muss ich ja fast kotzen!“, schimpfte Bäumer und rannte aus dem Raum, ehe Frank noch weitere Abschnitte des Zeitungsartikels vorlesen konnte.
Dessen Begeisterung hielt sich ebenfalls mehr als in Grenzen und schließlich ließ er den Computer herunterfahren, um seinem Freund in die Küche zu folgen.
Dort saß Bäumer, grummelte wütend vor sich hin. „Das macht mir langsam Angst. Was ist nur mit Artur los? Es wird immer schlimmer mit ihm. So kann das nicht mehr weitergehen, wir müssen etwas unternehmen!“
„Was schlägst du denn vor? Ihn stürzen?“
„Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas jemals sage, aber in letzter Zeit denke ich manchmal an derartige Dinge, Frank.“
„Das wäre Verrat, oder?“
„Wenn er uns verrät, dann ist es unsere Pflicht, ihn zu stoppen. Ich glaube kaum, dass die Führungsriege der Freiheitsbewegung seinem Treiben ewig zusehen wird. Artur verspielt gerade sehr viele Sympathien und scheinbar merkt er es nicht einmal, weil er sich jetzt für den großen Geschäftsmann hält“, murrte Alf.
„Was sagt Thorsten denn dazu?“
„Das, was er seit Monaten sagt. Wir müssen auf Artur endlich einwirken und ihn von seinem Irrweg abbringen oder er muss seinen Posten räumen.“
„Das sagt Wilden?“
„Ja, und zwar in aller Schärfe. Artur ignoriert ihn seit Wochen, lässt ihn kaum noch an sich heran. Er kapselt sich in einer Weise von seinen alten Gefährten ab, dass es einem langsam seltsam vorkommt. Glaubt er denn, dass wir das alle einfach so hinnehmen?“
Frank überlegte und antwortete dann: „Ich verstehe Artur einfach nicht mehr. Er redet einerseits bei unseren Veranstaltungen mit der ihm eigenen Radikalität vom Fortgang der Revolution und bandelt dann mit unseren Feinden an. Das ist alles vollkommen widersinnig.“
„Ich sage dir, dass er sich hat kaufen lassen. Vielleicht liefert er uns, seine alten Mitstreiter, eines Tages sogar ans Messer, um den Wünschen der Logenbrüder entgegen zu kommen. Es wundert mich langsam nichts mehr!“, zischte Bäumer.
„Wir sollten uns noch einmal mit Thorsten und einigen anderen Führungsköpfen der Freiheitsbewegung kurzschließen, Alf. Es muss endlich etwas geschehen, sonst bricht bald eine Katastrophe über uns herein“, warnte Kohlhaas.
„Ich rufe Wilden morgen an und verlange, dass wir noch einmal über Tschistokjow sprechen. Jedenfalls habe ich von diesem Verhalten langsam die Schnauze voll. Wir haben für ihn in den Straßen geblutet und jetzt stehen wir wie Idioten da, während er sich einen Lenz macht!“, schimpfte Alf.
Die beiden Freunde diskutierten noch geschlagene zwei Stunden über den Anführer der Rus und steigerten sich immer weiter in ihren Unmut hinein. Sie fühlten sich mehr denn je hintergangen, doch es sollte noch schlimmer kommen.
Im Juli des Jahres 2048 machte eine für viele Rus nicht sehr erfreuliche Story aus der Regenbogenpresse weltweit die Runde. Der russische Souverän hatte sich nach der Einweihungsfeier eines neuen Industriezentrums in Syktyvkar mit einem breiten Grinsen und zwei hübschen, halbnackten Blondinen im Arm ablichten lassen. Auf dem Foto wirkte er zudem äußerst beschwipst.
Wer es gemacht hatte, konnte letztendlich niemand mehr sagen, aber das Bild fand seinen Weg in die Redaktionen der internationalen Medienorgane und wurde dankbar aufgenommen.
„Vom Asketen zum Partylöwen!“, titelte das New Star Magazine aus Nordamerika und verschaffte dem offensichtlich alkoholfreudigen und sexgeilen Tschistokjow
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