Beverly Barton, Hexenopfer
sehen, dass sie getroffen worden war. Jemand hatte auf sie geschossen. In ihrem eigenen Hof. Mit einem großen, tapferen FBI-Agenten als Wache.
Er hielt sie eine Weile in den Armen, bevor sich seine Ausbildung bemerkbar machte. Er prüfte ihre Lebenszeichen. Schwach. Aber sie lebte noch. Er hatte zwei Möglichkeiten: Genny sofort ins Krankenhaus zu bringen, oder Drudwyn zu folgen und denjenigen zu jagen, der auf sie geschossen hatte.
Dallas hob Genny vom Boden. Was ihn betraf, gab es eigentlich nur eine Möglichkeit. Das Einzige, was jetzt eine Rolle spielte, war Genny.
24
Jazzy legte Dallas Sloan die Hand auf den Rücken. Sofort spannte er sich an, drehte sich aber nicht zu ihr um. Seitdem sie am Abend zuvor im Kreiskrankenhaus von Cherokee County eingetroffen war, hatte sie kein einziges Wort aus Dallas’ Mund gehört. Das kleine Wartezimmer war überfüllt mit Menschen, die Genny liebten. Jacob. Sally und Ludie. Royce. Wallace. Brian. Und in der Nacht waren Dutzende Menschen gekommen und hatten Gebete und Hilfe angeboten. Zahlreiche Leute aus Cherokee County hatten angerufen, sowie Geistliche von der Baptistenkirche und der Methodistenkirche, obwohl Genny keiner der beiden Konfessionen angehörte. Die Schwesternhelferinnen hatten mehrmals Kaffee gebracht und sich erboten, aus der Cafeteria etwas zu essen zu holen. Alle, die Genny kannten, hielten sie für etwas Besonderes. Dem ganze County lag es am Herzen, was mit ihr geschah.
Und keiner, absolut keiner konnte begreifen, warum jemand einer so freundlichen und liebevollen Seele etwas antun wollte.
Als Jacob am Abend zuvor bei Jazzy angerufen hatte, war sie zur Notaufnahme geeilt, aber zu spät, um Genny noch zu sehen, bevor sie in den OP gebracht wurde. Sie hatte Jacob angetroffen, der still mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen im Wartebereich auf der ersten Etage saß. Dallas war draußen auf dem Flur auf und ab gelaufen. Als sie ihn ansprach, hatte er sie nicht einmal zur Kenntnis genommen.
Jacob hatte ihr erklärt, was passiert war, zumindest das wenige, was er aus Dallas herausbekommen hatte. »Ich habe die Spurensicherung zum Haus hinaufgeschickt, um nach Beweismaterial zu suchen«, hatte er gesagt. »Damit hatten wir nicht gerechnet. Wir hätten es auf keinen Fall voraussehen können. Dallas gibt sich die Schuld, und was ich auch sage, er lässt es sich nicht ausreden.«
Nach endlosen Stunden des Wartens und Betens hatten sie gute Nachrichten bekommen. Genny hatte die Operation mit Bravour überstanden, und der Arzt versicherte ihnen, dass sie wieder auf die Beine kommen würde. Die Kugel war in ihren Rücken eingedrungen und aus ihrer Schulter ausgetreten, hatte aber keine lebenswichtigen Organe verletzt. Jazzy hatte damit gerechnet, dass Dallas so reagieren würde wie sie und Jacob – mit großer Erleichterung. Stattdessen war er geflohen. Sie wusste nicht, wohin er gegangen war, aber sie vermutete, dass er einen ungestörten Platz gesucht hatte, an dem er allein sein konnte. Die Toilette? Die Kapelle? Wahrscheinlich hatte er sich übergeben. Oder geweint. Oder ein Dankgebet gesprochen. Vielleicht alles zusammen.
Jetzt, um halb fünf am Morgen, stand Jazzy hinter Dallas am Ende des Flurs. Er starrte aus dem Fenster in die Dunkelheit. Sie tätschelte ihm den Rücken. »In ein paar Minuten lassen sie uns zu ihr.«
Er nickte, drehte sich aber noch immer nicht um.
»Genny wird es wieder gut gehen.«
Schweigen.
»Sie müssen Schluss damit machen, bevor Sie zu ihr reingehen«, riet ihm Jazzy. »Sie wird spüren, dass etwas nicht stimmt, sobald sie Sie sieht. Sie sehen aus wie ein Mann, der gerade aus der Hölle kommt.«
Er warf einen Blick über die Schulter und sah Jazzy mit blutunterlaufenen Augen an.
»Die Schuldgefühle, in denen Sie sich suhlen, werden Genny nicht helfen«, sagte Jazzy. »Also ziehen Sie Ihr Büßerhemd aus und nehmen Sie es hin, dass Sie nicht Superman sind, dass Sie ein Mensch sind wie wir auch.«
Als er den Blick von ihr abwandte, packte sie seinen Arm. »Verdammt, Sie konnten doch nicht wissen, dass irgendein Spinner da draußen auf eine Chance wartete, Genny zu erschießen. Sie ist die Hellseherin, nicht Sie, und sie hat die Gefahr wahrscheinlich erst bemerkt, als es zu spät war.«
»Ich hätte sie davon abhalten sollen, nach draußen zu gehen!« Die Worte polterten aus seiner Brust wie Kanonenfeuer.
Jazzy griff noch fester zu, schüttelte ihn und stellte sich vor ihn. »Wenn dieser Jemand vorhatte, Genny zu
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