Beverly Barton, Hexenopfer
sich nicht um einen gewöhnlichen Mord – eine Schusswunde oder ein Messerstich. Das Opfer hatte nichts mit Drogen zu tun, einem häuslichen Streit oder Racheplänen. Susie Richards war knapp siebzehn Jahre alt gewesen. Ein gutes Kind aus einer guten Familie, nach allem, was er über sie in Erfahrung gebracht hatte. In der Schule eine Überfliegerin, Klassensprecherin in der Cherokee Pointe High und beliebt bei allen, die sie kannten.
Als Jacob gerade den letzten Bissen Apfelkuchen gegessen hatte und den Teller beiseite schob, tauchte Jazzy neben ihm auf, eine volle Kanne mit frischem Kaffee in der Hand. Er schaute auf und lächelte. Sie war Balsam für müde Augen. Eine gut aussehende Frau vermochte eine schlimme Lage immer aufzubessern. Und Jasmine Talbot sah wirklich gut aus. Hoch aufgeschossen wie sie war, mit ihren langen Beinen und großen Brüsten, hatte sie, wie man so sagte, ordentlich Holz vor der Hütte. Sie hatte eine kurze, widerspenstige Mähne aus leuchtend rotem Haar, dessen Farbe so verblüffend war, dass sie einfach künstlich sein musste, sowie zwei katzengrünen Augen, die anscheinend die Fähigkeit besaßen, durch einen Mann hindurch zu sehen.
Sie hatten sich ein paar Mal verabredet, sich geküsst und befummelt, hatten aber die Grenze zwischen Freundschaft und sexueller Beziehung nicht überschritten. Und darüber war er froh. Sie mochten sich wirklich, doch die sexuelle Chemie zwischen ihnen stimmte nicht. Hätten sie miteinander geschlafen, wäre es schwieriger gewesen, Kumpel zu bleiben.
»Noch Kaffee?«, fragte Jazzy, doch bevor er antworten konnte, füllte sie seine Tasse, stellte die Kanne auf den Tisch und setzte sich ihm gegenüber auf die andere Seite der Nische.
»Danke.« Er hob die Tasse an den Mund.
»Koffeinfreier«, informierte sie ihn.
Er runzelte die Stirn. »Ich trinke keinen koffeinfreien.«
»Heute Abend doch. Ich schätze, du bist schon ziemlich aufgedreht nach allem, womit du heute fertig werden musstest. Und ich vermute, dass du den ganzen Tag lang starken Kaffee in dich reingeschüttet hast. Das Zeug hat wahrscheinlich das Blut in deinen Adern ersetzt.«
»Du kennst mich zu gut.«
»Du solltest nach Hause gehen und ordentlich schlafen. Du siehst scheiße aus.«
Er grinste. »Das ist eines der vielen Dinge, die ich an dir mag – deine brutale Ehrlichkeit.«
»Nur gut, dass du in der Stadt wohnst«, sagte Jazzy. »Der Schneesturm, den Genny vorhergesagt hat, hat schon angefangen. Wahrscheinlich liegt unter den drei bis vier Zentimetern Schnee, die bereits gefallen sind, eine zwei Zentimeter dicke Eisschicht, und es ist erst halb elf.«
Jacob nickte. »Ich bezweifle, dass ich diese Nacht viel schlafen werde.«
»Ja, das würde mir wahrscheinlich genauso gehen, nachdem ich Susie Richards aus der Nähe gesehen hätte.« Jazzy drehte eine saubere, leere Tasse auf dem Tisch um und goss sich Kaffee ein. »In der Stadt kursieren die wildesten Gerüchte. Ich weiß, du kannst mir nicht viel sagen, aber … du kannst eine weitere Presseerklärung nicht länger hinausschieben. Brian MacKinnon wird diesen Mord groß aufziehen. Die Tat wird wochenlang die Titelseiten des Cherokee Pointe Herald schmücken, vor allem, wenn du den Mörder nicht bald schnappst. Nichts würde ihm besser gefallen, als dich in ein schlechtes Licht zu rücken.«
»Brian ist ein Arsch«, knurrte Jacob. »Das ist auch so einer, der meint, mit Geld kann er alles kaufen.« Er schaute Jazzy direkt in die Augen.
»Ja, ich weiß, Jamie ist wieder in der Stadt. Sally und Ludie haben es mir erzählt. Und nein, ich habe nicht die Absicht, mich wieder mit ihm einzulassen.«
»Dein Leben, deine Entscheidung«, sagte Jacob. »Jamie ist nicht mein Problem, Brian hingegen schon. Er kann mich nicht leiden, weil ich nicht gut finde, wie er um Genny herumscharwenzelt. Er ist zu alt für sie, und sie ist zu gut für ihn, und das habe ich ihm auch gesagt. Mehrfach.«
Jazzy lachte, führte die Tasse an die Lippen und trank von ihrem heißen Kaffee. »Brutale Ehrlichkeit. Etwas, das uns gemeinsam ist.«
»Irgendwas an Brian stört mich. Schon als Kind. Er ist zu raffiniert, zu glatt. Der ist nicht so, wie er aussieht. Ich glaube, das spürt Genny auch, und deshalb hat sie ihn nicht ermutigt.«
»Ein Typ wie Brian braucht nicht viel Ermutigung. Er ist daran gewöhnt, zu bekommen, was er will, und glaube mir, er will unsere Genny unbedingt.«
»Ja, aber jetzt hat er Konkurrenz bekommen von dem Pierpont-Typen,
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