Bevor der Abend kommt
Benutzt du die ganzen Maschinen tatsächlich?«
Tom schlenderte lässig zwischen Laufband, Stepper und Standfahrrad umher. In einer Ecke lag ein großer roter Gymnastikball, und an einer Wand stapelte sich eine beeindruckende Sammlung von Hanteln. Dem Laufband gegenüber stand ein mittelgroßer Fernseher auf einem Regal. »Ich trainiere fast jeden Tag einen Stunde. Und du?«
»Ich mache Yoga«, erklärte Cindy ihm, als ihr ihr einmaliger Besuch in dem Yoga-Studio einfiel.
»Wirklich? Ich hätte dich nicht für den Yoga-Typen gehalten.«
»Warum nicht?«
»Ich hätte nicht gedacht, dass du die nötige Geduld aufbringst.« Er lachte. »Ich kann mir förmlich vorstellen, wie du da liegst und denkst: Können wir das Ganze nicht ein bisschen beschleunigen?« Er schüttelte den Kopf. »Aber was weiß ich schon? Jedenfalls scheint es dir gut zu bekommen.«
»Vorhin hast du mir erklärt, ich sähe beschissen aus.«
»Ich? Wann?«
»In deinem Büro.«
»Ah ja. Aber das war vor unserem kleinen Ausflug zum Leichenschauhaus.«
»Willst du damit sagen, dass ich, verglichen mit dem Mädchen auf dem Tisch, toll aussehe?«
»Ich sage, du siehst toll aus, Punkt.«
»Dann hast du vorhin gelogen, als du gesagt hast, ich sähe beschissen aus.«
»Ich habe gelogen.«
»Du bist ein Lügner?«, drängte sie ausgelassen weiter.
»Ich bin Anwalt«, stimmte er ihr zu, und sie lachten beide.
»Und das Bad?«, fragte Cindy, als er sich vorbeugte. »Hier entlang?« Sie wich seiner Umarmung aus und schlenderte an zwei eingebauten Kleiderschränken vorbei in das vom ehelichen Schlafzimmer abgehende Bad.
Es war ein großer Raum, die Wände waren in demselben
beigefarbenen Marmor gekachelt wie der Boden, es gab einen großen Whirlpool, eine geräumige offene Dusche, Anrichten und Waschbecken für sie und ihn sowie genug Spiegel, um selbst den hingebungsvollsten Narzissten zu befriedigen.
»Oh je«, sagte Cindy, als sie ihr Bild von einem Spiegel zum nächsten hüpfen sah: das alte T-Shirt, die weite Jeans, das strähnige Haar und die Zombie-artigen Augen. »Ich sehe beschissen aus.«
»Du bist wunderschön«, sagte Tom, stellte sein Glas auf der Anrichte ab und trat hinter sie.
»Anwalt«, sagte Cindy und ließ sich gegen seine Brust fallen. Er schlang die Arme um sie, drückte seine Wange an ihre, nahm ihr das Glas aus der Hand und stellte es auf die andere Anrichte. Wollte er sie tatsächlich küssen, fragte sie sich, als er sie langsam umdrehte. Würde sie ihn tatsächlich lassen?
(Rückblende: Cindy steht vor dem Badezimmerspiegel und wischt das Make-up ab, das sie eine Stunde zuvor mühsam aufgetragen hat, während ihr Toms Anruf durch den Kopf geht: »Tut mir Leid, Baby. Ich schaffe es nicht zu dem Film. Wir haben einen Notfall, und ich werde noch mindestens ein paar Stunden hier festsitzen. Gib dem Babysitter ein paar Dollar extra und versuch, einen Termin für nächste Woche zu verabreden.«)
Er schmeckte nach Wodka und Preiselbeeren, dachte Cindy jetzt und genoss seine weichen Lippen, während sie spürte, wie seine Zunge sanft über die ihre glitt. Nicht zu drängend, nicht zu zögernd, sondern genau richtig. Irgendwie wie früher, erinnerte sie sich an die Worte ihrer Mutter.
Und was war mit Neil, dachte sie, als sein Gesicht unvermittelt in dem Spiegel hinter Toms Kopf auftauchte.
Ich finde, dass du die mutigste Frau bist, die ich kenne , hörte sie ihn sagen.
»Es war immer so gut mit dir«, flüsterte Tom und zupfte an ihrem T-Shirt, bevor er mit fachmännischem Griff ihren BH
aufhakte. »Mein Gott, echte Brüste. Ich hatte schon fast vergessen, wie gut sie sich anfühlen.«
(Rückblende: Cindy liegt im Bett, ihr Kissen tränenfeucht, als Tom neben sie schlüpft, unter ihr Nachthemd fasst und mit beiden Händen ihre Brüste umhüllt. »Tut mir Leid, dass es so spät geworden ist«, sagt er und küsst ihren Nacken. Sie riecht seine Weinfahne, während er zwischen ihre Beine tastet. »Der Mandant wollte einfach nicht aufhören zu reden. Ich hab gedacht, das Abendessen geht nie zu Ende.« Er vergräbt sein Gesicht an ihrem Nacken. Cindy atmet das Parfüm einer anderen Frau ein, während er von hinten in sie eindringt.)
»Komm«, sagte Tom und führte sie zwischen Laufband und Fahrrad Richtung Schlafzimmer, schob die Seidenvorhänge beiseite und zog ihr das T-Shirt aus, sodass ihr BH zu Boden fiel und in dem weißen Teppich verschwand wie ein Kinderhandschuh im Schnee.
Was mache ich hier, fragte Cindy sich und
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