Bevor der Abend kommt
einen Whirlpool gab, in dem man viel mehr Platz für die Beine hatte. An diesem Abend sagte sie nur: »Okay.«
»Vielleicht solltest du morgen zum Arzt gehen«, sagte Cindy, begleitet vom Geräusch plätschernden Wassers. »Nur um sicherzugehen, dass du dir nichts gebrochen hast.«
»Ich habe mir nichts gebrochen, Mom.«
Cindy sah zu, wie ihre Tochter ihre letzten Kleidungsstücke abstreifte und in die erst halb volle Wanne stieg. »Mach es nicht zu heiß.«
»Nein, mach ich nicht.«
»Möchtest du lieber allein sein?«
Heather schüttelte den Kopf. »Du kannst bleiben.«
Cindy klappte den Toilettendeckel herunter, setzte sich und betrachtete im Spiegel den erstaunlich schlanken Körper ihrer Tochter, während ihr eine Million Fragen durch den Kopf schossen: Was hast du alleine in dem Club gemacht? Was hast du getrunken? Wie viel hast du getrunken? Warum hast du getrunken? Stattdessen fragte sie: »Ist dir immer noch übel?«
»Nein, alles in Ordnung.«
»Ganz sicher?«
»Ich betrinke mich normalerweise nicht.«
»Ich weiß.«
»Ich trinke sonst eigentlich überhaupt nicht.«
»Das ist gut.«
»Wirst du es Dad erzählen?«
»Ich weiß nicht.«
»Hast du ihn wieder gesehen, seit …?« Heathers Stimme verlor sich in dem Dampf, der aus der Wanne aufstieg.
»Nein.«
Heather drehte das Wasser ab und drückte auf den Knopf, um die Massagedüsen zu starten. Sofort begann das Wasser in der Wanne zu sprudeln.
»Was ist mit deinem Blind Date? Hast du ihn wieder getroffen?«
Cindy stellte sich Neils attraktives Gesicht vor und gab sich alle Mühe, es nicht zwischen ihren Beinen zu sehen. »Er war gestern Nacht hier.«
»Jaaa?«
»Stört dich das?«
»Warum sollte mich das stören?«
»Weil ich weiß, dass Scheidungskinder immer irgendwie hoffen, dass ihre Eltern eines Tages wieder zusammenkommen.«
»Ich bin kein Kind mehr.«
»Das weiß ich.«
»Ich will bloß, dass du glücklich bist«, sagte Heather.
»Ist das nicht eigentlich mein Text?«
»Du darfst ihn gerne auch benutzen.«
Cindy lächelte. »Hast du irgendwas von Duncan gehört?«
»Wir hatten ein langes Gespräch. Du hattest Recht. Wir sind noch zu jung, um uns so fest zu binden. Wir sollten ausgehen und herumschlafen. Wie du gesagt hast.«
Gütiger Gott, dachte Cindy. Ausgerechnet in dem Punkt musste sie anfangen, auf ihre Mutter zu hören. »Wie wär’s, wenn du heute Nacht bei mir schläfst?«
Jetzt war es an Heather zu lächeln. »Wegen dir und Neil …«
»Was ist mit ihm?«
»Ich habe ein gutes Gefühl bei euch beiden.« Heather schloss die Augen und machte sie erst wieder auf, als sich die Düsen automatisch abschalteten.
Elvis schlief schon auf Cindys Bett, als Cindy Heather in ihr Schlafzimmer führte. Knurrend machte er Platz und beobachtete sie besorgt, als würde er sich an die Turnübungen der vergangenen Nacht erinnern. Cindy legte einen Arm um ihre Tochter, zog sie an sich, und Heather schmiegte ihren schlanken Körper an den ihrer Mutter. So lagen sie wie Löffel in einer Schublade eine Weile schweigend nebeneinander und atmeten in einem wechselseitigen Rhythmus wie zwei Teile eines Ganzen. Meine Kleine, dachte Cindy. Mein wunderschönes kleines Mädchen. »Ich liebe dich«, flüsterte sie.
Plötzlich richtete Heather sich auf und schluchzte in Cindys Armen, ihr zarter Körper bebte unter unvermittelten Qualen. »Oh, Mom, es tut mir Leid. Bitte verzeih mir. Es tut mir so Leid.«
»Wovon redest du? Es gibt nichts zu verzeihen, Schätzchen.«
»Ich war so ein Aas.«
»Nein, das warst du nicht.«
»Ich habe nicht klar gedacht, als ich der Polizei deine Telefonnummer
genannt habe. Ich habe nicht daran gedacht, dass du annehmen würdest, sie hätten Julia in Gewahrsam. Natürlich musstest du annehmen, dass es Julia war. Was solltest du sonst denken? Und dieser schreckliche Ausdruck in deinem Gesicht, als du gesehen hast, dass ich es nur war, deine Enttäuschung …«
»Nein, Schätzchen, nein. Du hast mich bloß auf dem falschen Fuß erwischt.«
»Ich habe an jenem Tag so gemeine Sachen zu ihr gesagt, Mom. Ich habe ihr erklärt, dass ich nie wieder mit ihr reden wollte, dass mich ihr Anblick krank machen würde.«
Cindy dachte an ihre jüngsten Auseinandersetzungen mit Leigh. »Im Zorn sagen wir alle oft Dinge, die wir bedauern. Julia weiß, dass du es nicht so gemeint hast.«
»Meinst du? Ich habe ihr gesagt, dass es mir Leid täte, dass sie je nach Hause zurückgekehrt ist, dass ich wollte, dass sie
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