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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Jungen.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Nun, sie war ziemlich betrunken.«
    »Betrunken?«
    »Sie übergibt sich seit zehn Minuten«, erklärte Officer Medavoy nüchtern und führte Cindy um den Tresen herum in eines der hinteren Zimmer. »Vielleicht sollten Sie nicht zu streng mit ihr sein. Wenigstens bis morgen früh.« Er öffnete die Tür.
    »Julia!«, rief Cindy und rannte auf das junge Mädchen zu, das ramponiert und bleich auf einem Plastikstuhl vor einem mattbraunen Schreibtisch saß.
    Tränenumflorte blaue Augen starrten Cindy an. »Tut mir Leid, Mom«, erwiderte Heather, und ihre Stimme brach, als sie einen dünnen Speichelfaden von ihrem geschwollenen Kinn wischte. »Ich bin’s nur. Tut mir Leid«, sagte sie noch einmal.
    »Heather! Mein Gott – Heather!« Cindy wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, also tat sie beides. Heather, nicht Julia. Der Gedanke, dass es Heather sein könnte, war ihr gar nicht gekommen. »Oh, mein armes Kleines«, sagte sie und fiel vor ihrer jüngeren Tochter auf die Knie. »Was ist passiert? Was haben sie dir getan?« Ihre Finger flatterten nervös um Heathers bebendes Kinn.
    Heather wandte den Kopf zur Seite und präsentierte einen tiefen Kratzer auf der linken Wange. »Es ist nichts. Mir geht es gut.«
    »Die Polizei hat gesagt, du wärst in eine Prügelei mit ein paar Mädchen geraten …«
    »Ach, es war total bescheuert. Ich war in einem Club. Dort habe ich diese Mädchen getroffen – ich dachte, wir verstehen uns blendend. Sie haben mir angeboten, mich nach Hause zu fahren. Und dann waren wir plötzlich in dieser Tiefgarage, und ehe ich mich versah, hatten sich alle auf mich gestürzt und
meinten, ich würde mit dem Freund von einer von ihnen flirten. Es war absolut lächerlich. Der Typ sah nicht mal gut aus.«
    »Haben Sie die Mädchen verhaftet?«, fragte Cindy den Beamten.
    »Sie sind abgehauen, bevor wir gekommen sind. Ihre Tochter behauptet, sie könnte keine von ihnen identifizieren.«
    »Heather …«
    »Es war dunkel. Es ist keine große Sache.«
    »Und ob es das ist. Sieh dich doch an.«
    »Mir geht es gut, Mom. Es ist unwichtig. Können wir bitte einfach nach Hause fahren?«
    Cindy blickte Hilfe suchend zu Officer Medavoy, doch der zuckte bloß mit den Achseln. »Vielleicht sollten Sie sie nach Hause bringen und eine Nacht darüber schlafen lassen. Möglicherweise hilft das ihrem Erinnerungsvermögen auf die Sprünge.«
    Cindy legte den Arm um ihre Tochter und half ihr auf die Beine. »Kannst du laufen?«
    »Mir geht es gut«, beharrte Heather und klammerte sich an Cindy, und so stolperten Mutter und Tochter hinaus in die Dunkelheit.
     
    Sie fuhren schweigend nach Hause. Mehrmals wandte Cindy sich an ihre jüngere Tochter, um etwas zu sagen, doch die Worte gefroren auf ihrer Zunge wie Trockeneis.
    (Rückblende: Die acht Monate alte Heather, die mit leuchtendem Engelsgesicht auf dem Teppich sitzt und zusieht, wie ihre ältere Schwester durchs Zimmer tanzt; Heather mit dreizehn Monaten, die mit einem stolzen, pausbackigen Lächeln auf ihrem Töpfchen sitzt und fröhlich singt: »Pipi, Pipi«; Heather mit drei Jahren, die aufmerksam zuhört, während Cindy ihr eine Gutenachtgeschichte vorliest, den dritten und vierten Finger der rechten Hand im Mund, während sie mit dem Zeigefinger eine sich auflösende rosafarbene Babydecke über ihre
Stubsnase reibt; Heather mit sechs zu Halloween als Engel verkleidet; Heather mit zwölf, die mit Tränen in den Augen beobachtet, wie ihre Mutter Julia nachsieht, die im Wagen ihres Vaters davonfährt.)
    »Möchtest du irgendwas?«, fragte Cindy, als sie, stürmisch begrüßt von Elvis, das Haus betraten. »Heißen Kakao? Tee?«
    »Es ist drei Uhr morgens«, erinnerte Heather ihre Mutter und bückte sich, um Elvis den Kratzer auf ihrer Wange ablecken zu lassen.
    »Vielleicht solltest du das lieber nicht machen«, ermahnte Cindy sie.
    Heather richtete sich auf, ging zur Treppe und blieb stehen. »Schläft Leigh noch in meinem Zimmer?«
    »Sie ist für ein paar Tage nach Hause gefahren«, erklärte Cindy ihr. »Grandma auch.«
    Heather sah erleichtert aus. »Dann nehme ich, glaube ich, ein Bad, wenn du nichts dagegen hast.«
    »Soll ich es dir einlassen?«
    »Das kann ich auch selbst.« Heather war schon halb ausgezogen, bevor sie den oberen Treppenabsatz erreicht hatte.
    »Warum benutzt du nicht meine Wanne?«, bot Cindy an.
    Normalerweise ergriff Heather begierig jede Gelegenheit, Cindys Bad zu benutzen, weil es dort

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