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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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sich zu benehmen wie eine funktionierende Erwachsene.
    »Geh nach Haus«, sagte Cindy sich. »Geh jetzt nach Hause.«
    Doch noch während sie die Worte aussprach, rannte sie über die schon belebte Kreuzung der Yonge Street und der St. Clair Avenue und sah sich suchend nach Faith um. »Wo ist sie?«, murmelte Cindy leise, während ihr Blick von einer Straßenecke zur nächsten zuckte, ohne eine Spur ihrer Nachbarin zu entdecken. Vielleicht ist sie zu McDonald’s gegangen, dachte Cindy und blickte zu dem winzigen Verkaufsraum, der zwischen der Bank of Nova Scotia und der U-Bahn-Station St. Clair eingeklemmt war.
    Und dann entdeckte Cindy den Kinderwagen. Er stand vor der Glastür der U-Bahn-Station und versperrte den Eingang, bis ein eiliger Mann ihn grob beiseite stieß. »Kyle?«, rief Cindy und rannte los. Doch der Kinderwagen war leer. Das Baby war weg.
    Warum ließ Faith einen teuren Kinderwagen mitten auf der Straße stehen? Hatte sie Cindy entdeckt und entschieden, dass sie ohne schneller und leichter vorankam? Und wohin brachte sie Kyle so früh am Morgen? Hatte sie einen Plan, oder hatte sie sich spontan für eine frühmorgendliche U-Bahn-Fahrt entschieden so wie Cindy sich am Abend zuvor für ihren Dauerlauf?
    »Haben Sie hier eben eine Frau mit einem Baby reingehen sehen?«, fragte sie einen gelangweilt aussehenden Angestellten,
der in einem großen Glaskasten neben dem Eingang zur U-Bahn saß. »Es ist höchstens ein paar Minuten her«, fuhr Cindy fort, als der Mann nicht antwortete.
    »Hab ich nicht drauf geachtet«, sagte er schließlich. »Sie halten die Schlange auf.«
    Cindy versuchte, sich durch das Drehkreuz zu drängen, doch es ließ sich nicht bewegen.
    »Sie brauchen einen Token«, erinnerte der Mann sie.
    »Ich habe keinen Token.«
    »Dann macht es zwei Dollar fünfundzwanzig.«
    Cindy kramte in ihrer Börse nach Kleingeld, während mehrere genervte Pendler sich ungeduldig an ihr vorbeidrängten und diejenigen, die hinter ihr warten mussten, vernehmlich stöhnten. »Tut mir Leid«, sagte sie, und die Worte trieben zur Decke wie Dampf aus einem Kessel. Sie hielt dem Wärter das Geld hin, worauf jener die Augen verdrehte und auf den Automaten wies.
    Cindy betrat den Bahnhof, rannte die Treppe hinunter und versuchte zu raten, in welche Richtung Faith fahren würde. Sie entschied sich für Süden, stürmte eine weitere Treppe zum Bahnsteig hinunter, während ihr Blick auf der Suche nach Faith und dem Baby über die gelb gekachelten Wände huschte. Hatte sie sie verpasst? War die Bahn in südlicher Richtung schon weg?
    In diesem Moment hörte sie das laute Klagen eines Babys und sah Faith auf der gegenüberliegenden Seite am anderen Ende des Bahnsteigs stehen. Sie wiegte Kyle in ihren Armen und lächelte gelassen. Sie sieht ganz okay aus, dachte Cindy und winkte. Tatsächlich erregte die ausladende Geste Faiths Aufmerksamkeit. Sie lächelte, als wäre es keineswegs ungewöhnlich, Cindy um diese Tageszeit in der U-Bahn zu treffen, und wandte sich dann wieder dem Baby zu, das in ihren Armen zappelte.
    Irgendwas stimmt hier nicht, dachte Cindy und eilte gegen den Menschenstrom die Treppe wieder hinauf und die Stufen
zum gegenüberliegenden Bahnsteig hinunter. Der Tunnel erstreckte sich vor ihr wie eine lange, dunkle Röhre.
    »Vorsicht«, warnte ein Mann sie, als sie an dem gelben Streifen, der die Bahnsteigkante markierte, entlangrannte. »Sie sollten nicht zu nah am Rand laufen.«
    Cindy folgte seinem Rat und ging in der Mitte des Bahnsteigs weiter.
    »Kein Grund zur Eile«, hörte sie jemanden sagen. »Die Bahn ist gerade weg.« Sprach er mit ihr?
    »Verdammt, ich komme zu spät«, erwiderte ein anderer Mann. »Wann kommt die nächste?«
    »In ein paar Minuten.«
    Cindy lief weiter bis zum Ende des Bahnsteigs und sah, wie Faiths Lächeln breiter wurde, als sie auf sie zukam, so als würde sie sich wirklich freuen, sie zu sehen.
    »Cindy, was machen Sie denn hier?«
    »Das wollte ich Sie auch gerade fragen.«
    »Kyle hat einen Termin beim Kinderarzt.«
    »So früh?«
    »Einen anderen Termin gab es kurzfristig nicht.«
    »Geht es dem Kleinen gut?«
    »Er hat einen Ausschlag.«
    »Einen Ausschlag?« Cindy hatte am Vortag nichts dergleichen bemerkt.
    »Als ich ihn entdeckt habe, habe ich sofort Dr. Pitfield angerufen. Sie hat gesagt, ich soll mit Kyle gleich heute früh vorbeikommen, dann würde sie ihn untersuchen.«
    »Ist Dr. Pitfields Praxis nicht in der Wellesley Street?« Cindy hatte Faith die

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