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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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und Haare. »Julia«, sagte sie noch einmal, als könnte sie der Geistererscheinung durch bloße Wiederholung des Namens Gewicht und Substanz verleihen, damit sie sich nicht wieder verflüchtigte. »Julia«, schluchzte Cindy und wappnete sich schon gegen das erneute plötzliche Verschwinden ihrer Tochter.
    Doch die Fata Morgana, die Julia war, kuschelte sich in Cindys Arme. Cindy umarmte und küsste sie, und ihre schlanke Gestalt wirkte fest und real, ihre weiche, glatte Haut roch nach Angel-Parfüm. Cindy schmeckte den Geschmack ihrer Tochter auf der Zunge wie perlende Champagnerbläschen. »Bist du wirklich hier?«, rief Cindy, drückte Julias breite Schultern, ihre kräftigen Arme, ihre schlanken Hüften.

    »Ich bin wirklich hier«, sagte die Erscheinung und klang genau wie Julia.
    »Du bist es. Du bist hier. Du bist echt.«
    Julia lachte. »Ich bin echt. Ich bin hier.«
    Cindy begann, am ganzen Körper zu zittern, als sie ihre Tochter schluchzend an ihre Brust drückte, als wollte sie sie beide aneinander schweißen, während sie Julias Gesicht mit Küssen bedeckte, als würde sie sie am liebsten mit Haut und Haaren verschlingen.
    Julia war zurück. Zurück in den Armen ihrer Mutter. Sie lebte, und sie war gesund. Und sie sah wunderbar aus. Ausgeruht und schön, schöner denn je. Keine Blutergüsse befleckten ihren makellosen Teint; kein namenloses Grauen verschleierte ihren Blick. »Du bist hier«, sagte Cindy immer wieder. »Es geht dir gut.«
    »Ich bin hier. Und es geht mir gut.«
    Trotz aller Beteuerungen weigerte sich Cindy, die Hände ihrer Tochter loszulassen, weil der Traum sonst garantiert enden würde. Sie würde aufwachen. Es wäre vorbei. Ihre Tochter würde wieder weg sein. »Du bist nicht verletzt?«
    »Mir geht es gut«, versicherte Julia ihr noch einmal.
    »Dir geht es gut«, wiederholte Cindy, ohne die Tränenflut eindämmen zu können, die über ihre Wangen strömte. Ihre Tochter lebte, es ging ihr gut, und sie war wieder dort, wo sie hingehörte, zu Hause. Sie war kein Gespenst. Sie war wirklich da. Und kein Leid war ihr angetan worden. Wie war das möglich? »Das verstehe ich nicht. Wo bist du gewesen?«
    Julia blickte von ihrer Mutter zu ihrem Vater, der stumm nickte. »Du musst mir versprechen, dass du nicht wütend wirst.«
    »Wütend?« Wovon redete Julia? »Warum sollte ich wütend sein?«
    »Versprich mir, dass du wenigstens versuchst, es zu verstehen.«
    »Was soll ich verstehen? Was geht hier vor? Tom?«, flehte
Cindy, während ihr Blick widerwillig von ihrer Tochter zu ihrem Ex-Mann wanderte. »Tom, wovon redet sie? Wo hast du sie gefunden?«
    »Kapierst du immer noch nicht?«, fragte er und sah Cindy mit einer Mischung aus Mitleid und Verachtung an.
    »Was?«
    Julia zögerte kurz, bevor sie schlicht antwortete: »Ich war nie verschwunden.«
    Die Worte durchschlugen Cindys Körper wie Kugeln aus einer Pistole. Sie ließ die Hand ihrer Tochter los und taumelte rückwärts. »Wovon redest du? Wo bist du gewesen?«
    Es entstand eine lange Pause, in der Vater und Tochter erneut einen Blick wechselten, bevor Julia erwiderte. »Im Wochenendhaus.«
    »Was?«
    »Sie hat darauf bestanden zurückzukommen, als wir die Nachricht von Faith Sellick gehört haben«, warf der Keks hastig ein.
    »Geht es Ryan gut?«, fragte Julia. »Er wurde in den Berichten kaum erwähnt.«
    »Du warst die ganze Zeit in Muskoka?« In Cindys Kopf drehte sich alles. Ihre Tochter war zurück. Sie war unverletzt. Sie war nicht entführt, vergewaltigt, ermordet und in einem flachen Grab beerdigt worden. Sie war gesund und munter. War das nicht alles, was wichtig war? Welchen Unterschied machte es, wo sie gewesen war, dass sie sich offensichtlich auf dem Land entspannt hatte, während ihre Mutter in der Stadt verrückt geworden war, dass sie nach Ryan fragte, anstatt sich um ihre Schwester, ihre Großmutter, ihre Tante zu sorgen, dass sie anscheinend keine Ahnung hatte, welche Hölle sie ihrer Familie in den vergangenen zwei Wochen zugemutet hatte?
    Cindy wandte sich langsam zu Tom, als ein weiterer erschreckender Gedanke langsam Gestalt annahm. »Hast du davon gewusst? Hast du die ganze Zeit gewusst, wo Julia war?«

    »Du hast mir versprochen, nicht wütend zu werden«, erinnerte Julia sie.
    »Vielleicht solltest du dich setzen«, schlug Tom vor.
    Cindy ließ sich ohne jeden Widerspruch auf einen der Küchenstühle fallen und fragte sich, welche weiteren atemberaubenden Enthüllungen folgen würden.
    »All das muss

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