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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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ist dein Date gestern Abend gelaufen?«
    Cindy spürte, wie ihre Knie weich wurden, und stützte sich auf der Armlehne eines Sessels ab. »Gut.«
    »Bloß gut?«
    »Super. Es war super.«
    »War er so süß, wie Trish behauptet hat?«
    »Er ist sehr süß«, sagte Cindy.
    »Alles in Ordnung? Du klingst irgendwie nicht wie du selbst.«

    »Ich fühle mich ehrlich gesagt nicht so toll.«
    »Oh nein. Du darfst jetzt nicht krank werden. Nächste Woche fängt das Festival an.«
    »Bis dahin geht es mir garantiert wieder besser.«
    »Nun, wir wollen kein Risiko eingehen. Bleib heute Nachmittag zu Hause. Ich kriege den Laden auch alleine geschmissen.«
    »Wäre das sehr schlimm?«
    »Nein, überhaupt nicht. Sieh du einfach zu, dass du wieder fit wirst.«
    Cindy legte auf und fragte sich, warum sie ihren beiden engsten Freundinnen nicht erzählt hatte, dass Julia gestern Nacht nicht nach Hause gekommen war und sie seit gestern Morgen nichts mehr von ihr gehört hatte. Eigentlich hatte sie es ihnen unbedingt erzählen wollen, aber irgendetwas hatte sie zurückgehalten. War es Verlegenheit? Scham? Furcht? Und wenn ja, wovor genau? Dass die Worte, einmal laut ausgesprochen, wahr werden könnten und Julia vielleicht für immer verloren war?
    Sie dachte an Lindsey, Julias neueste beste Freundin überhaupt . Wer war sie eigentlich? Im Gegensatz zu Cindy und Heather ging Julia ständig neue, ebenso kurzlebige wie intensive Bindungen ein. Männer und Frauen trieben an der Peripherie von Julias Leben dahin, tauchten ab und wieder auf und drangen gelegentlich sogar in den inneren Kreis vor oder ergaben sich, was wahrscheinlicher war, den Gesetzen der Schwerkraft und fielen unangekündigt von dem sich immer weiterdrehenden Karussell. Einige überstanden es unversehrt und waren dankbar für die Fahrt, wie kurz sie auch gewesen sein mochte. Andere blieben voller Groll und Wut zurück und pflegten hässlichen Wunden, die nicht verheilen wollten.
    Warum hatte sie nicht besser aufgepasst? Was für eine Mutter war sie?
    Cindy ging zu der Anrichte auf der anderen Seite des Zimmers, die Hände unter die Achseln geklemmt, damit sie nicht
zitterten. Zum Glück war noch ein Rest Kaffee in der Maschine, den sie sich in eine Tasse goss. Er schmeckte bitter, aber sie trank ihn trotzdem, während sie immer wieder zum Telefon blickte und stumm Julias Anruf erflehte, damit sie sicher war, dass ihre Tochter gesund und am Leben war. »Das ist albern. Du machst dich selbst verrückt«, sagte Cindy laut. »Ganz ruhig. Tief durchatmen. Sprich mir laut nach: Es gibt nichts, worüber du dir Sorgen machen musst, es gibt nichts, worüber du dir Sorgen machen musst.«
    Das Telefon klingelte.
    Cindy stürzte darauf zu wie von einer Kanone abgefeuert. »Hallo? Julia?«
    »Neil Macfarlane«, verkündete die Stimme. »Bist du das, Cindy?«
    Cindy schluckte ihre Tränen herunter. »Ja. Neil. Hallo.«
    »Passt es gerade nicht?«
    »Meine Tochter ist gestern Nacht nicht nach Hause gekommen«, hörte sie sich wimmern. »Ich habe solche Angst.«
    »Ich komme sofort«, sagte er.

8
     
     
    »Hat sie so etwas schon einmal getan?«
    »Die ganze Nacht wegbleiben, meinst du?«
    Neil nickte. Er saß neben Cindy auf einem der beiden braunen Ledersofas in ihrem Wohnzimmer, hinter ihnen die Fensterfront zum großen Garten, an der Wand gegenüber drei Gemälde von unterschiedlich reifen Birnen. Cindy konnte sich nicht an den Namen des Malers erinnern. Tom hatte die Bilder gekauft, ohne sie nach ihrer Meinung oder ihrem Einverständnis zu fragen. Ich verdiene das Geld, ich treffe die Entscheidungen , war für ihn grob gesagt das Leitmotiv ihrer Ehe gewesen. Neben einer endlosen Parade anderer Frauen, dachte Cindy und lächelte den gut aussehenden Mann auf der anderen Seite der Couch traurig an, während sie sich fragte, ob er seine Frau je betrogen hatte. Sie strich über den glatten Bezug, edles italienisches Leder, der garantiert ein Leben lang halten sollte. Im Gegensatz zu ihrer Ehe, dachte sie. Die Sofas hatte Tom ebenfalls ausgewählt, genau wie den karierten Stoff der beiden Korbsessel vor dem schwarzen Marmorkamin. Warum hatte sie sich nie die Mühe gemacht, irgendetwas zu verändern, seit er gegangen war? Hatte sie unbewusst darauf gewartet, dass er zurückkam? Sie schüttelte den Kopf, um die Gedanken an ihren früheren Mann loszuwerden.
    »Cindy?«, fragte Neil, beugte sich vor und streckte seine Hände aus. »Geht es dir gut? Du hast einen ganz seltsamen

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