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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Globe and Mail auf den runden Kieferntisch. »Du kennst doch Julia.«
    »Und du weißt, worüber Julia und Duncan sich gestritten haben. Sag es mir.«
    Heather ließ die Zeitung sinken, atmete geräuschvoll aus und blickte flehend zur Tür, als hoffte sie, Duncan würde wundersamerweise erscheinen. Doch die Dusche lief noch, sodass es unwahrscheinlich war, dass er in absehbarer Zeit nach unten kam. »Es war gar nichts, wirklich. Ihre Hoheit war wie üblich spät dran und wollte, dass er sie zu ihrem Casting fährt. Als Duncan meinte, er müsste in die entgegengesetzte Richtung und hätte keine Zeit, sie herumzuchauffieren, ist sie wütend geworden und hat angefangen rumzuschreien. Sie ist ihm sogar bis zu seinem Wagen nachgelaufen.«

    Cindy tadelte sich stumm dafür, nicht zu Hause gewesen zu sein, um ihre Tochter selbst zu dem Vorsprechen zu fahren. »Hätte es ihn denn umgebracht, sie kurz hinzubringen?«
    »Würde es sie umbringen, einen Führerschein zu machen? Wie kann irgendwer diese bescheuerte Prüfung drei Mal nicht bestehen?«
    Das hatte sich Cindy gelegentlich auch schon gefragt. Aber nicht einmal der Anblick von Julias bezaubernden langen Beinen hatte die Entscheidung des Prüfers beeinflussen können. »Darum geht es nicht.«
    »Es geht darum, dass nicht jedermanns Leben um Julia kreist. Hör auf, dir Sorgen zu machen, Mom. Es geht ihr gut.«
    »Und wo ist sie dann? Warum hat sie nicht angerufen?« Cindy wappnete sich innerlich gegen ein achtloses Schulterzucken ihrer Tochter, was jedoch überraschenderweise ausblieb.
    »Hast du bei Dad nachgefragt?«
    Cindy nickte.
    »Und bei Sean?«
    »Er sagt, Julia wäre nicht mehr sein Problem. Er hat angedeutet, dass sie sich mit einem anderen trifft.«
    »Wirklich?«
    »Du hast keine Ahnung, wer das sein könnte?«
    »Nein, ich bin aber auch nicht gerade Julias engste Vertraute. Du könntest Lindsey fragen.«
    »Lindsey?«
    »Lindsey – Julias neueste beste Freundin überhaupt. Sie hat sie letzten Monat kennen gelernt. Die mit den Riesenimplantaten.«
    Vor Cindys Auge blitzte ein voluminöser Busen auf, der bedrohlich auf einem schmalen Torso wogte. Die Implantate ragten in die Luft wie zwei mit Helium gefüllte Ballons und verdeckten das Gesicht der jungen Frau. »Hast du ihre Telefonnummer?«
    »Die steht wahrscheinlich in Julias Adressbuch.«

    Wenige Minuten später war Cindy in Julias Zimmer und kramte mit schlechtem Gewissen in ihren Sachen. Wenn Julia ein Adressbuch hatte, dann hatte sie es wohl mitgenommen. Cindy sah unter jedem Kleidungsstück und in jeder Schublade nach. In dem Müll fand sie unter anderem einen zerknitterten Fünf-Dollar-Schein, einen Pullover, den sie den ganzen Winter gesucht hatte, mehrere Schachteln mit Kondomen, aber kein Adressbuch. Spielte es überhaupt eine Rolle? Sie konnte sich ja ohnehin nicht an Lindseys Nachnamen erinnern. Wütend schlug sich Cindy auf die Schenkel. Was für eine Mutter war sie, dass sie nicht einmal die Namen der Freundinnen ihrer Tochter kannte?
    »Ich bin hundertprozentig sicher, dass alles in Ordnung ist«, sagte Heather, als Cindy in die Küche zurückkam. »Aber vielleicht solltest du die Krankenhäuser anrufen«, fügte sie leise hinzu. »Für alle Fälle.«
     
    Die nächste Stunde verbrachte Cindy damit, sämtliche Krankenhäuser der Stadt abzutelefonieren, beginnend mit denen in der Innenstadt – Mount Sinai, das Toronto Hospital, das Women’s College, das Western, das St. Mike’s und sogar die Kinderklinik, bevor sie ihren Radius ausdehnte und in Sunnybrook, im North York General Hospital, im Humber Memorial und sogar in Scarborough anrief. Man erklärte ihr überall das Gleiche. Eine Julia Carver war nicht als Patientin registriert, niemand, auf den ihre Beschreibung passte, war in den letzten 24 Stunden in der Notaufnahme eingeliefert worden.
    Sie rief bei der Polizei an und fragte, ob es Unfälle oder Zwischenfälle gegeben hatte, in die ihre Tochter verwickelt gewesen sein könnte, doch die Antwort lautete nein. Als sie auflegte, war sie gleichzeitig erleichtert, dankbar und beunruhigt.
    Ihr Blick fiel auf die digitale Uhr an der Mikrowelle. Es war zehn Uhr. Ein ganzer Tag war verstrichen, seit sie Julia zuletzt gesehen hatte.

    Cindy blickte sich in der jetzt leeren Küche um. Heather und Duncan waren oben und stritten leise, aber unverkennbar miteinander. Sie versuchten, so zu tun, als wäre alles in Ordnung, doch Cindy spürte die Spannung zwischen den beiden. War Julia in irgendeiner

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