Bevor der Abend kommt
Detective Gill und sah Cindy direkt an, um keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, mit wem er
sprach, »aber je mehr wir über Julia wissen, desto größer ist unsere Chance, sie zu finden. Können Sie mir sonst noch irgendetwas über sie sagen? Was für Hobbys hat sie, was macht sie gerne, wo geht sie gern hin …«
»Sie geht gern ins Rivoli«, sagte der Keks, bevor Cindy eine Antwort formulieren konnte.
»Das Rivoli?«
»Ein Comedy-Club in der Queen Street«, sagte Heather.
Das wusste ich nicht, dachte Cindy. Warum weiß ich das nicht.
»Was ist mit Discos?«
Tom lächelte. »Die Szene hat sie schon vor Jahren aufgegeben.«
»Trinkt ihre Tochter?«
»Nein«, sagte Cindy.
»Gelegentlich«, verbesserte Tom sie.
»Was ist mit Drogen?«
»Was soll damit sein?«, fragte Cindy.
»Sie hat die übliche Phase durchgemacht, die alle jungen Leute durchlaufen«, sagte Tom.
Wirklich, fragte Cindy sich. Warum hat mir das niemand gesagt? Warum wusste ich nichts davon?
»Aber ich habe sie mir vorgeknöpft«, fuhr Tom fort, »habe ein langes Gespräch mit ihr geführt und ihr erklärt, dass sie anfangen müsse, Ernst zu machen, wenn sie eine erfolgreiche Schauspielerin werden wolle, dass ich sie, so gut ich kann, unterstützen würde, aber nur, wenn sie mit dem Herumbummeln aufhöre und sich endlich konzentriere. Zum Glück hat sie auf mich gehört.«
Du hast sie dir vorgeknöpft, dachte Cindy. Du hast ein langes Gespräch mit ihr geführt. Du hast ihr erklärt, dass sie anfangen muss, Ernst zu machen, dass du ihr, so gut du kannst, helfen wirst. Du aufgeblasener Arsch. Cindy rieb sich die Stirn. »Was geschieht als Nächstes?«, fragte sie.
»Wir fahren zurück aufs Revier und geben die Vermisstenmeldung zu Protokoll.«
»Die Journalisten werden sich garantiert auf den Fall stürzen.« Detective Gill hielt Julias Foto hoch. »Ein so hübsches Mädchen. Schauspielerin. Tochter eines bekannten Anwalts. Das ist eine Story für die Titelseiten.«
»Ist das gut oder schlecht?«, fragte Cindy.
»Sowohl als auch. Die Öffentlichkeit kann sehr hilfreich sein, aber Sie sollten nicht überrascht sein, wenn Sie eine Menge geistesgestörte Anrufe bekommen. Wenn nötig, zapfen wir Ihre Leitung an und versuchen, die Spinner auszusortieren.«
»Machen Sie sich möglichst keine Sorgen, Mrs. Carver«, sagte Detective Bartolli. »Sie wird schon wieder auftauchen.«
Cindy starrte die beiden Detectives an, deren Bild mit den Tränen in ihren Augen rasch verschwamm.
»Vielen Dank«, sagte sie.
»Wenn Ihnen in der Zwischenzeit noch irgendwas einfällt …«
»Da ist noch etwas«, sagte Cindy, sah vor ihren feuchten Augen Ryans Gesicht auftauchen und fragte sich, ob er wirklich so unschuldig war, wie er behauptete.
»Und das wäre?«
»Mein Nachbar Ryan Sellick. Vielleicht sollten Sie sich mal mit ihm unterhalten.«
16
»Okay, Cindy? Was ist los? Warum hast du nicht auf unsere Nachrichten reagiert?«, fragte Meg. »Cindy? Cindy, bist du noch da?«
Cindys Lippen streiften den Hörer, als sie sich vorstellte, wie Meg und Trish sich am anderen Ende um das Telefon drängelten. »Julia wird vermisst«, flüsterte sie.
»Was? Ich habe dich nicht verstanden.«
»Julia wird vermisst«, wiederholte Cindy lauter.
»Was soll das heißen, sie wird vermisst?«
Cindy schwieg. Was gab es mehr zu sagen?
»Wir kommen sofort.«
Cindy legte auf und starrte zu Boden. Sie wollte nicht aufblicken, weil sie wusste, dass sie sonst ihre Mutter und ihre Tochter sehen würde und sich mit der Sorge in ihren Blicken auseinander setzen müsste, dabei wollte sie sich nicht mit ihren Ängsten befassen, sie wollte sich um niemandes Probleme kümmern, verdammt noch mal, sie wollte bloß, dass Julia nach Hause kam.
War das nicht alles, was sie je gewollt hatte?
»Wer war das?«, fragte ihre Mutter.
»Meg. Sie kommt mit Trish vorbei«, sagte Cindy, und ihre Stimme eierte wie ein Reifen, der Luft verliert.
»Dann koche ich besser noch mal Kaffee.«
Cindy starrte weiter zu Boden.
»Mom?«, fragte Heather. »Alles in Ordnung?«
Ich kann mich nicht rühren, dachte Cindy. Ich kann nicht denken. Ich kann nicht atmen. »Alles okay«, sagte sie.
»Du fällst doch nicht wieder in Ohnmacht?«, fragte ihre Mutter.
»Nein, ich falle nicht in Ohnmacht.«
»Kann ich irgendwas für dich tun?«, fragte Heather.
»Du kannst mit dem Hund rausgehen.«
»Klar. Komm, Elvis. Wir gehen in den Park.«
Elvis war sofort aufgesprungen und in seliger
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