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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Casting bei Ihnen.«
    Michael Kinsolving warf dem dünnen jungen Mann mit der Igel-Frisur, der nach wie vor in der Tür wartete, einen fragenden Blick zu.
    »Ja«, bestätigte der junge Mann, wobei es bei ihm wie ein mehrsilbiges Wort klang. »Wenn ich mich recht erinnere, hat jemand aus Mr. Carvers Büro angerufen, um zu fragen, ob sie ihren Termin eingehalten hat.«
    »Und, hat sie?«, fragte Michael Kinsolving laut und deutlich mit der Stimme eines Mannes, der es gewohnt war, Befehle zu erteilen.
    »Ja.«
    »Und wo liegt dann das Problem?«, fragte der Regisseur.
    »Sie wird vermisst«, erklärte Cindy ihm und beobachtete, wie er die Stirn runzelte und seine grünen Augen sich verengten. Die gleiche Farbe wie Julias, dachte sie.
    »Vermisst?«
    »Seit sie dieses Büro verlassen hat, hat niemand mehr etwas von ihr gehört oder gesehen.«

    »Was wollen Sie damit sagen? Dass sie hier rausspaziert ist und sich in Luft aufgelöst hat?«
    »Wir wissen nicht, was mit ihr geschehen ist«, gestand Cindy mit tränenerstickter Stimme. »Ich hatte wohl gehofft, dass Sie ein wenig Licht in die Sache bringen könnten. Wenn Sie irgendetwas wissen, was uns helfen könnte, sie zu finden …«
    Michael Kinsolving stand langsam auf und ging auf Cindy zu. Er reichte ihr knapp bis zu ihrer Nasenspitze. »Und was genau sollte ich wissen?«
    »Ich hatte wohl gehofft, dass sie Ihnen gegenüber vielleicht erwähnt hat, was sie anschließend vorhatte.«
    »Warum sollte sie das tun?«
    »Ich weiß es nicht.« Cindy bereute ihre Entscheidung herzukommen bereits. Hatte sie wirklich geglaubt, dass Michael Kinsolving ihr helfen könnte?
    »Wahrscheinlich ist sie mit irgendeinem Typen los, von dem sie wusste, dass er Ihnen nicht gefallen würde«, schlug er grinsend vor. »Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede. Ich habe selbst drei Töchter.«
    Cindy erinnerte sich vage, gelesen zu haben, dass Michael Kinsolving fünf Kinder aus vier Ehen hatte.
    »Sie leben natürlich bei ihren Müttern.«
    Natürlich, bestätigte Cindy nickend. Entschieden sich nicht alle Töchter dafür, nach einer Scheidung der Eltern bei ihren Müttern zu leben?
    Alle bis auf Julia.
    »Tut mir Leid, aber ich wüsste nicht, wie ich Ihnen helfen könnte.« Der Regisseur zog ein Papiertaschentuch aus der Gesäßtasche und hielt es Cindy hin.
    Ihr fiel auf, wie kräftig seine Arme trotz seiner winzigen Größe waren. »War sie gut?« Talent ist das Mindeste . »Haben Sie etwas zu meiner Tochter gesagt, das sie aufgewühlt haben könnte?« Ihre Augen sind zu klein; Ihre Lippen sind zu schmal . »Hat sie einen deprimierten Eindruck gemacht, als sie gegangen
ist?« Schauten Frauen sie an und dachten »verlorene Seele«? Schauten Männer sie an und dachten … Mein Gott.
    »Ich wünschte, ich könnte Ihnen irgendetwas Beruhigendes sagen«, antwortete Michael Kinsolving. »Aber um ganz ehrlich zu sein, kann ich mich nicht mal mehr an das Mädchen erinnern.«
    »Oh, an Julia würden Sie sich auf jeden Fall erinnern. Sie ist einundzwanzig, schlank, blond …« Cindy brach ab, blickte zu dem Bildschirm und begriff, dass Michael Kinsolvings Büro in der vergangenen Woche von schlanken, blonden, schönen Frauen überschwemmt gewesen sein musste.
    Der Regisseur blickte Hilfe suchend zu seinem Assistenten. »Haben wir ein Band von ihr?«
    Der Assistent nickte. »Ich hole es«, sagte er und eilte aus dem Zimmer.
    Michael Kinsolving führte Cindy um den Tisch zu seinem Stuhl. »Möchten Sie ein Mineralwasser oder vielleicht einen Espresso?«
    »Wasser wäre großartig.«
    »Mit oder ohne Kohlensäure?«
    Cindy schüttelte den Kopf, unfähig, eine Entscheidung zu treffen.
    »Philip«, rief Michael Kinsolving seinem Assistenten im Nebenzimmer zu, »und ein Perrier für Mrs. Carver. Darf ich Sie Cindy nennen?«
    »Selbstverständlich.«
    »Cindy.« Der Regisseur lächelte. »Michael.«
    Sie drückte seine Hand, spürte die Kraft in seinen Fingern und verstand plötzlich, warum Frauen ihn so attraktiv fanden. »Meine Hände sind kalt«, entschuldigte sie sich.
    »Kalte Hände, warmes Herz«, sagte er lächelnd.
    Flirtete er mit ihr, fragte sich Cindy und zog ihre Hand, verunsichert durch den Gedanken, hastig zurück. War es denkbar, dass er Julia gegenüber anzüglich geworden war?

    Philip kam mit einem Glas Sprudelwasser und einer Videokassette zurück. Er gab Cindy das Glas und ging zu dem Fernseher an der gegenüberliegenden Wand. »Ich glaube, sie ist auf dieser Kassette. Soll ich sie

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