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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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und beschlossen hat, ein paar Tage freizunehmen.«
    »Und die andere Hälfte?«
    Detective Bartolli sah seinen Partner an. Detective Gill klappte seinen Notizblock zu und beugte sich mitfühlend vor. »Bei Menschen im Alter Ihrer Tochter ist Selbstmord offen gestanden unsere größte Sorge.«
    »Selbstmord«, wiederholte Cindy benommen. »Julia würde nie Selbstmord begehen«, protestierte Heather. »Selbstmord können Sie ausschließen«, sagte Cindy und erinnerte sich an ihr Gespräch mit Faith Sellick. »Worüber machen Sie sich sonst noch Sorgen?«
    »Nun, es besteht natürlich immer die Möglichkeit, dass ihr irgendjemand etwas angetan hat …«
    Cindy schlug sich die Hand vor den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken.
    »Aber wir wollen den Dingen nicht vorgreifen, Mrs. Carver.
Bis jetzt gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass Ihrer Tochter etwas zugestoßen ist.«
    »Bis auf die Tatsache, dass seit fünf Tagen niemand etwas von ihr gehört hat«, erinnerte Cindy ihn.
    »Und das ist ungewöhnlich?«
    »Natürlich ist das ungewöhnlich.«
    »Cindy«, sagte Tom in dem Tonfall, den er immer anschlug, wenn er spürte, dass sie die Beherrschung zu verlieren drohte. Wie oft hatte sie diesen Ton während ihrer Ehe gehört. Jetzt empfand sie ihn auf einmal seltsam tröstend.
    »Hat sie Freunde außerhalb von Toronto?«
    »Sie hat diverse Bekannte in New York«, sagte Tom.
    Cindy starrte leeren Blickes aus dem Fenster in den Garten. Die ganze Unterhaltung war vollkommen lächerlich. »Meinen Sie nicht, dass sie mir von einer geplanten New-York-Reise erzählt hätte?«
    »Vielleicht hat sie es dir erzählt, und du hast es vergessen«, sagte der Keks.
    »Ist es möglich, dass sie es dir gesagt hat und du es vergessen hast?«, wiederholte Tom, als hätte seine zweite Frau gar nichts gesagt.
    (Rückblende: Julia mit dreizehn steht nach dem Abendessen vom Küchentisch auf und verlässt den Raum. Ihre Mutter ruft sie zurück und erinnert sie daran, ihr Geschirr in die Spülmaschine zu räumen. Sofort wiederholt ihr Vater die Aufforderung. »Julia, räum dein Geschirr in die Spülmaschine«, sagt er, und Julia schlendert widerwillig zum Tisch zurück, um zu tun, was ihr Vater sagt.
    »Warum machst du das jedes Mal?«, will Cindy wissen, nachdem Julia den Raum verlassen hat.
    »Was mache ich?«
    »Ich sage ihr, dass sie etwas tun soll, und dann wiederholst du es, als ob mein Wort allein nicht genug Gewicht hätte.«
    »Ich unterstütze dich, verdammt noch mal.«

    »Nein. Du untergräbst meine Autorität.«)
    Schön zu sehen, dass manche Dinge sich nie ändern, selbst wenn die Frauen wechseln, dachte Cindy und musste unwillkürlich lächeln. »Sie hat es mir nicht gesagt«, erklärte sie ihrem Ex-Mann. »Ich habe es nicht vergessen.«
    »Bist du ganz sicher?«
    »Sie hat mir nichts gesagt«, wiederholte Cindy, jedes Wort förmlich ausspuckend. »Nein.«
    »Schon gut. Kein Grund, sich aufzuregen.«
    »Kein Grund, mich aufzuregen?«, gab Cindy zurück. »Seit Donnerstagmorgen hat kein Mensch mehr etwas von Julia gehört oder gesehen. Ich würde sagen, dass ist reichlich Grund, sich aufzuregen.«
    Tom sah die beiden Detectives an, als wollte er sagen: Sehen Sie, womit ich es zu tun hatte? Verstehen Sie jetzt, warum ich gegangen bin?
    »Sie haben also gedacht, dass Julia nach ihrem Casting direkt nach Hause kommen würde?«, fragte Detective Bartolli.
    »Ich wusste nicht, was sie danach vorhatte, aber sie sollte um vier Uhr zu einer Anprobe kommen.«
    »Meine Enkelin Bianca heiratet«, warf Norma Appleton ein. »Julia und Heather sind Brautjungfern.«
    »Und sie ist nicht zu der Anprobe erschienen.« Detective Gill notierte diese Tatsache in seinem Blöckchen. »War es üblich, dass Julia nicht zu Verabredungen erschien?«
    »Nein«, sagte Cindy.
    »Ja«, verbesserte Tom sie. »Julia kann sehr eigensinnig sein.«
    »Inwiefern?«
    »So wie die meisten zwanzigjährigen Frauen eben«, sagte Tom und lächelte den beiden Detectives wissend zu.
    »Aber Ihnen fällt kein Grund ein, warum Ihre Tochter sich ein paar Tage freigenommen haben könnte, ohne jemandem etwas zu sagen?«
    »Nein«, sagte Cindy.

    »Doch«, widersprach der Keks.
    »Verzeihung?«
    »Warum denken Sie das, Mrs. Carver?«
    »Weil sie ein Schwachkopf ist«, antwortete Cindy.
    »Ich glaube, Detective Gill meinte mich«, sagte der Keks spitz.
    »Glauben Sie, dass Julia mit irgendwem abgehauen sein könnte?«
    »Ich halte es für möglich.«
    »Wie kommen Sie

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