ich, einen guten Preis für den Grund und Boden herauszuhandeln.«
»Viel Geld habe ich nicht, ich muss ein Darlehen aufnehmen.«
»Ich helf dir dabei. Vielleicht sollten wir auch eine Geschichte in Umlauf setzen, dass es da auf eurem Hof spukt, dann schwindet bei einigen das Interesse. Du hast doch bestimmt ein paar gute Gespenstergeschichten auf Lager.«
»Prima Idee«, erklärte Kolbrún.
Das Bier kam, und die beiden unterhielten sich eine Weile über Litla-Fell und geeignete Spukgeschichten. Als sie ein weiteresGlas hinter sich hatten, schaute Kolbrún auf die Uhr: »Hör zu«, sagte sie, »es ist viel zu teuer, hier zu trinken. Ich hab noch ein Sixpack zu Hause. Du darfst mitkommen, wenn du magst.«
23:50
D óra verabschiedete sich von dem jungen Mann, der am Empfang des Fitness-Centers saß und gespannt ein Motocross-Rennen auf einem ausländischen Kanal verfolgte. Er trug ein schwarzes Hemd, das bis zum Nabel offen war. Die nackte braune Brust und der muskulöse Solarplexus zeugten von einem ausgeprägten Bedürfnis, sich zur Schau zu stellen, und wenig Rücksichtnahme auf andere.
»Gute Nacht und danke für den Besuch«, anwortete er mit etwas schriller Stimme, ohne Dóra anzusehen. Wahrscheinlich war sie ein paar Jahre zu alt, um sein Interesse wecken zu können. Während sie zum Parkplatz ging, überlegte sie, dass da etwas merkwürdig gewesen war an diesem jungen Mann, aber erst als sie sich in ihren alten Escort schwang, wurde ihr klar, was es war. Der Junge hatte sich am ganzen Oberkörper rasiert, vielleicht am Unterkörper auch, aber das konnte man nicht sehen.
Zu Hause angekommen, holte Dóra sich ein Glas Orangensaft aus dem Kühlschrank und fuhr ihren Computer hoch. Sie wollte noch einen Blick auf ihre E-Mails werfen und dann ins Bett gehen. Sie hatte drei neue Mails. Eine von ihnen sah ihr ganz nach einer Spam-Mail aus, denn der Absender lautete
[email protected] . Sie wollte sie gerade löschen, als sie den Betreff sah: »Ford Escort 23:52« . Das war genau die Zeit, als sie in ihrem alten Escort losgefahren war. Hatte jemand sie beobachtet?
Die Mail hatte vier jpg-Dateien als Attachment. Also waren Bilder angehängt. Der Text lautete: »Ich sehe, dass du geduscht hast, wie ich dir gesagt habe. Ich gebe dir noch eine Chance, dich für dein Benehmen auf befriedigende Weise zu entschuldigen. Sonst schicke ich diese Bilder noch heute Nacht per E-Mail an sämtliche Mail-Adressen bei der Polizei. Ich bin zu Hause, aber nicht mehr lange. Du weißt, was mir vorschwebt.«
Dóra speicherte sämtliche Bilder auf ihrem Rechner und öffnete das erste. Es war im Duschraum des Fitness-Centers aufgenommen worden, sie war nackt und wusch sich die Haare. Die anderen drei Fotos waren ähnlich, sie waren alle gut belichtet und scharf, eindeutig von einem Profi gemacht.
Dóra überlegte, was sich im Umkleideraum abgespielt hatte. Ja, das musste es sein. Die Frau mit dem Föhn hatte die Drecksarbeit für Tómas erledigt. Dóra runzelte die Stirn. Offensichtlich war es möglich, Leute zu finden, die sich zu allem Möglichen herabließen, falls man die richtigen Verbindungen hatte.
»Typisch, dass ich in so einer Scheiße lande«, dachte Dóra laut und sah sich die Bilder an. An ihr war so gesehen nichts auszusetzen, abgesehen von den etwas zu kurz geratenen Beinen. Sie war schlank, gut gebaut und durchtrainiert.
Dóra schämte sich keineswegs, nackt gesehen zu werden, aber sie hatte etwas gegen die Vorstellung, dass diese Bilder an sämtliche Kollegen geschickt würden, es gab genug anderes, was deren Konzentrationsfähigkeit in diesen Tagen beeinträchtigte. Sie musste also etwas unternehmen, aber ganz gewiss nicht das, was Tómas sich vorgestellt hatte. Was für ein perverser Typ. Wahrscheinlich war er auf brutalen, harten Sex aus.
Nach kurzem Nachdenken suchte sie den Verteiler für die gesamte Polizeibehörde in Reykjavík und schrieb »Viruswarnung! – SOFORT LESEN« in den Betreff und verfasste anschließend folgenden Text: »Warnung: Mail von jestertoyou@yahoo. com enthält gefährlichen Virus, wenn sie geöffnet wird. Mailsofort löschen, ohne sie zu öffnen.« Wenn es irgendetwas gab, wovor ihre Kollegen Angst hatten, dann waren es Computerviren. Die meisten hatten halbfertige Berichte in Arbeit, und das Backup-System war nicht unfehlbar. Falls Tómas die Mail-Adresse jestertoyou verwenden würde, bestand die große Wahrscheinlichkeit, dass seine Mails gelöscht werden würden. Wenn nicht,