Vergewaltigung befragt? Was ich dir gesagt habe, war vertraulich.«
»Nein, das war nicht vertraulich. Ich habe keinen Hehl daraus gemacht, dass ich nichts von dem, was du mir sagen würdest, vertraulich behandeln würde. Hjördís hat allerdings rundheraus abgestritten, dass es eine Vergewaltigung gegeben hat.«
»Gut so. Dann hat es sie nicht gegeben.«
»Was meinst du damit?«
»Wenn sie behauptet, dass es keine Vergewaltigung gab, dann gab es keine.«
»Sie war sehr aufgebracht«, sagte Birkir.
»Kann ich gut verstehen.«
»Sie hat also ganz bestimmt nicht angerufen?«
»Nein.«
»Na, denn.« Birkir war im Begriff, das Gespräch zu beenden.
»Hör mal«, sagte Jóhann.
»Ja?«
Nach kurzem Schweigen erklärte Jóhann: »Ich bin im Moment hier oben im Skigebiet in den Bláfjöll. Ein Bekannter aus Akureyri ist Hüttenwärter in einer der Skihütten, ich besuche ihn gerade. Er kennt Hjördís auch, weil sie in Akureyri zusammen in der Schule waren. Er hat mir erzählt, dass Hjördís amMontag hier in die Hütte gekommen ist und ihn gebeten hat, ein paar Skier in einem Behälter in der Abstellkammer für sie aufzubewahren.«
»Und?«
»Dieser Bekannte von mir hat eine neugierige Ader, und er hat in diesen Behälter reingeschaut.«
»Und?«
»Da sind keine Skier drin, sondern zwei Schrotflinten.«
»Schrotflinten?«
»Ja. Ich finde das komisch, aber wahrscheinlich spielt es keine Rolle.«
»Hat sie behauptet, es seien Skier darin?«
»Augenblick, ich frag noch mal nach.«
Birkir hörte Stimmen, konnte aber nichts verstehen. Er setzte das Aufnahmegerät am Telefon in Gang.
Jóhann meldete sich wieder: »Nein, sie hat nicht gesagt, dass es Skier waren, sie hat nur gefragt, ob er diesen Behälter bei sich aufbewahren könnte.«
»Ich würde mir gern diese Gewehre ansehen. Ist dein Bekannter damit einverstanden, wenn ich einen Blick darauf werfe?«
»Warte.«
Wieder hörte Birkir Stimmen, ohne etwas zu verstehen. »Er sagt, dass es seinetwegen in Ordnung ist«, erklärte Jóhann, als er wieder an den Apparat kam.
Birkir schaute auf die Uhr. Er musste noch ein paar Dinge im Büro erledigen. »Wie lange bleibt ihr noch da oben?«
»Bis nach Mitternacht auf jeden Fall. Wir streichen hier zwei Räume an.«
Gunnar und Ragnar waren immer noch mit dem Bericht beschäftigt. Birkir nahm Gunnar beiseite und erzählte ihm von den Schrotflinten.
»Ich fahr hin und schau mir das an«, erklärte er.
Gunnar nickte zustimmend. »Ich bring das hier zu Ende,dann geht’s noch um die Antwort auf Buffalo Bill, und danach ein großes Bier.«
»Habt ihr die Antwort schon?«
»Ja, ich denke schon. Dóra hat mit Google weitergesucht, und irgendwann fiel ihr auf, dass die Antworten immer etwas mit Serienkillern zu tun hatten. Deswegen hat sie es bei Google mit ›Buffalo Bill‹ und ›Serienkiller‹ versucht, und dann gab es Verweise auf Das Schweigen der Lämmer. Buch und Film. Erinnerst du dich nicht?«
Birkir nickte bejahend. »Hannibal Lecter.«
»Ja, aber Buffalo Bill war der Massenmörder, den diese junge FBI-Agentin mit Hannibal Lecters Hilfe finden wollte, der die Frauen gehäutet hat.«
»Genau.«
»Símon schiebt heute Abend Dienst am Computer. Er soll die Antwort um fünf vor zehn abschicken. Er sagt uns Bescheid, wenn es eine neue Frage gibt.«
Birkir schüttelte den Kopf. »Ist es nicht an der Zeit, dass wir mit diesem Spielchen aufhören? Irgendwann einmal finden wir die Antwort sowieso nicht, und was dann?«
»Das wird sich herausstellen. Wenn der Ganter Ruhe gibt, solange wir mit ihm spielen, dann nützt es auf jeden Fall was. Was dann kommt, wird sich zeigen.«
22:15
S ímon starrte auf den Bildschirm und ächzte: »Verdammte Scheiße, verdammte Scheiße.«
Gunnars Zettel mit der Antwort lag neben dem Computer, und er hatte auf den vereinbarten Zeitpunkt gewartet. Genau um fünf vor zehn sollte er die Mail abschicken, aber dann vergaßer alles um sich herum, weil er auf eine coole Pornoseite gestoßen war, auf die jemand ein Bookmark gesetzt hatte. Er war so vertieft, dass er alles um sich herum vergaß und erst um eine Minute vor zehn auf die Uhr schaute, und dann fand er nicht den Zettel mit der Hotmail-Adresse. Zehn Minuten suchte er fieberhaft, bis er sah, dass der Zettel unter dem Kaffeebecher klebte, den er auf dem Tisch mal hier, mal dort abgesetzt hatte. Mit zitternden Fingern tippte er
[email protected] ein, Passwort: shotgun 123. Der Account öffnete sich, und