Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
Feinden näher sein muss als seinen Freunden.“
Sie beide sahen sich eine Weile an. Sein Gesicht war gerötet, und Francesca wusste, ihr selbst erging es nicht besser. „Wirst du mich fragen, warum ich dazu bereit war?“
„Nein“, lautete seine knappe Antwort.
Ganz gegen ihre Gewohnheit ließ Francesca diesmal ein Thema auf sich beruhen.
Das Haus war leer und verlassen. Hart hatte dem ganzen Personal den Abend freigegeben. Mit einem Glas Whiskey in der Hand saß er da und starrte auf den Matisse, der über dem Kamin in seiner Bibliothek hing. Aber er sah nicht die Türme von Notre-Dame, sondern nur Francescas strahlendes Bild, das ihn verfolgte. Ihre blauen Augen waren von Sorge erfüllt. Dann musterte er seinen Halbbruder, wie er ihn höhnisch angegrinst hatte, unmittelbar bevor er den Abzug durchgedrückt hatte. Er hatte diesen Mistkerl umbringen wollen, und es wäre ihm völlig egal gewesen, wenn sich eine Patrone in der Kammer befunden hätte.
Hart! Nicht!
Aber Francesca wäre es nicht egal gewesen! Weil sie ihn bewunderte. Weil sie ihn für ehrbar hielt. Weil sie nicht glaubte, dass er kaltblütig einen Menschen ermorden würde.
Francesca – das Beste, was ihm je widerfahren war.
Nein, die Trennung war für sie trotz allem die beste Lösung, sagte er sich … und schloss seine Hand so verkrampft um das Glas, dass es zersplitterte. Er betrachtete seine Hand, in der er ein paar Scherben hielt, während der Scotch über seine Haut lief und in den Schnitten brannte, die die Splitter ihm zugefügt hatten. Es war ein willkommenes Gefühl, das ihn von dem Schmerz in seiner Brust ablenkte.
Francesca war ein guter, strahlender Mensch, er dagegen war finster und völlig ohne Moral. Ihr Gewissen war rein, seines besudelt mit den unaussprechlichen Taten der Vergangenheit. Sie verdiente Rick, davon war er nicht abzubringen. Jedoch verdiente sie es nicht, ein Leben lang an ihn gefesselt zu sein, während die Ungeheuer seines früheren Handelns sich immer wieder erhoben, um ihn zu verfolgen.
Hart öffnete die Faust und ließ die Scherben auf den Teppich fallen. Waren Francesca und Rick in diesem Moment dem gottverdammten Porträt auf den Fersen? Hatten sie es bereits gefunden? Freuten sie sich ausgelassen über ihre erfolgreiche Suche? Lagen sie sich in den Armen?
Wenn du dieses Wochenende in der Stadt bleibst, lass uns zusammen zu Abend essen.
Die Stimme seines Bruders hallte so deutlich in seinem Kopf nach, als hätte Bragg diese Frage gerade eben erst gestellt. Und er erinnerte sich an Francescas überraschtes Schweigen – und an die Tatsache, dass sie die Einladung nicht abgelehnt hatte. Er malte sich aus, wie sie in einem privaten Salon im Plaza zu Abend speisten, Francesca in ihrem gewagten roten Kleid, Rick in seinem Smoking, während ein Kellner in weißem Jackett am Tisch stand und ihnen den edelsten Wein einschenkte.
Die beiden waren wie füreinander geschaffen.
Er fluchte, weil er ein selbstsüchtiger Mistkerl war, durch und durch …
„Hart?“
Er hatte sie erwartet. Natürlich hatte er das. Ihre Stimme klang besorgt. Er lächelte nicht, als er sich zu ihr umdrehte.
„Du hast deiner Dienerschaft freigegeben?“, fragte sie unüberhörbar beunruhigt.
„Ja, das habe ich getan“, erwiderte er und verzog den Mund.
Langsam kam sie näher. „Ist mit dir alles in Ordnung?“
„Warum sollte mit mir nicht alles in Ordnung sein“, gab er zurück und klang wie die Ruhe selbst, obwohl er diese Ruhe gar nicht in sich verspürte. Am liebsten hätte er irgendetwas zerschmettert, vorzugsweise Ricks Nase. Dann jedoch wurde ihm klar, dass er nicht Rick zusammenschlagen wollte, sondern sich selbst.
„Was ist passiert?“, rief sie erschrocken, lief zu ihm und griff nach seiner blutenden Hand.
„Ich habe ein Glas zerbrochen.“
Sie sah ihm in die Augen und ließ ihn erkennen, dass sie ihre Tränen nur mit Mühe zurückhalten konnte. „Warum quälst du dich selbst? Wir haben das Porträt, Hart! Es ist vorbei.“
„Offenbar ist dir wohl nicht aufgefallen, dass ich nur zu gern meinen Bruder umgebracht hätte, oder? Und dass ich es beinahe sogar getan hätte.“
Sie wurde bleich. „Aber du hast es nicht getan, Hart! Ich bin davon überzeugt, dass du niemals einen Menschen in einem Wutanfall ermorden könntest.“
Er griff nach ihren Händen und hielt sie fest umschlossen. „Dann kennst du mich kein bisschen.“
„Falsch“, widersprach sie. „Ich kenne dich besser als du dich
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